· 

Wenn der Satz steht, im wahrsten Sinne

Tag 26 . Tag 27 . Tag 28 . Tag 29 . Tag 30

Wenn der Satz steht

im wahrsten Sinne

Von 16 bis 84 Punkt

Heute soll das Ergebnis unserer Suche nach den diversen Variationen des &-Zeichens in Form gebracht und gedruckt werden. Auf meinem Satzschiff habe ich schon bei dem Suchen an das Endformat gedacht und auf eine sinnvolle Satzbreite zusammengestellt, also auf volle Konkordanz. Das macht die Arbeit nun deutlich einfacher und ich beginne die Zeilen im Winkelhaken mit Material zu füllen und zu spationieren. Die kleinsten Buchstaben sind 16 Punkt und die letzten, die ich wohl verwenden werde, 84 Punkt. Schon gleich in der ersten Zeile zeigt sich, dass es eine nicht ganz so leichte Arbeit werden wird. Ein sehr zarter Schreibschriftbuchstabe beispielsweise hat eine so außergewöhnliche Unterlänge, dass der Zeilenabstand größer sein muss, als ich eigentlich geplant hatte.


Ein neuer Aufzug

Während ich Zeile für Zeile auf Satzbreite ausschließe, den sogenannten glatten Satz, beginnt Karl, den Heidelberger Tiegel vorzubereiten. Dazu will er alles neu einrichten und sucht entsprechendes Tauenpapier raus, um den Aufzug zu bespannen. Dieses sehr stabile und reißfeste Papier wird auch Straffe genannt, um es wörtlich stramm straffen zu können. Anschließend wird die Anlage eingerichtet und auch die Nadel. Diese verhindert, dass das Papier nach dem Druck an den Buchstaben kleben bleibt.


Tanzende Lettern und Spiegelschrift

Mein Satzschiff füllt sich, die Zeilen werden voller und ich bemühe mich, die Lettern so zu wählen, dass es später ein abwechslungsreiches Bild mit ausgewogenem Farbauftrag ergibt. Obwohl die Buchstaben jeweils auf gleichhohen Körpern stehen, haben diese so vielfältige Ober- und Unterlängen, dass sie alle auf unterschiedlichen Grundlinien stehen. Damit werden die Buchstaben später auf dem Plakat »tanzen«. Hinzu kommen die verschiedenen Strichstärken, die unterschiedlichen Schriftarten, die Ausrichtungen und diverse Dicken. Es wird also recht »bewegt«. Beim Betrachten der wachsenden Satzform entdecke ich noch einen Spiegel, der in Setzereien gern für Schulzwecke verwendet wird, da das Schriftbild darin seitenrichtig wiedergegeben wird.


Positionieren und Fetten

Karl holt einen Schließrahmen und zeigt mir am großen &-Zeichen, wie man einfach mit Hilfe eines Papiers die Ränder ausmittelt, damit die Position auf dem Plakat richtig sitzt. Außerdem erfahre ich, dass bei zu flachen Buchstaben das Papier nicht unterklebt sondern mit Fett fixiert wird. Dadurch ist der Druck in jedem Fall gleichmäßig.

Wie klug und so einfach.


Frische Walzen und frisches Grün

Der Tiegel bekommt für diesen Druck tatsächlich auch noch zwei neue werkfrische Walzen. Damit kann die Farbe bestens verteilt und der Druck großartig werden. In mir wächst die Vorfreude. Der große Holzbuchstabe soll eine zarte Farbe im Hintergrund unter den vielen kleinen Lettern bekommen, Karl beginnt die Farben Tansparentweiß mit einem »Muckensäckele« Grün, also einem Hauch Grün zu mischen, bis der Ton passt. Bei einem Buchdruckermeister klappt das auf Anhieb und meine Freude nimmt zu.


Ausbinden und Andrucken

Meine Satzform ist inzwischen vollendet, ich habe dabei zwischendurch noch einen interessanten Buchstaben aus geschichtetem Kunststoff gefunden, und beginne nun die Form mit einer langen Kolumnenschnur auszubinden.

Fertig.

Ich bin sehr zufrieden und neugierig auf das Druckergebnis.

Jetzt wird die Farbe auf die Walzen aufgetragen und der Tiegel läuft gemütlich im Rhythmus und schnauft vertraut. Wir drucken das große &-Zeichen.

Ein schöner Buchstabe, der Stand sitzt und ein zartes Grün.

Wir sind zufrieden.


Der Satz steht

Gleich anschließend bereitet Karl meine Satzform für den Schließrahmen vor, bürstet und wäscht die Buchstaben, dann wird geschlossen und es zeigt sich, ob ich sauber gearbeitet habe. Wenn nicht, dann fallen die einzelnen Buchstaben durch. Immer ein aufregender Moment, in dem ich Luft anhalte. Aber mein Lernen zahlt sich aus und es sitzt recht gut.

Der schwere Schließrahmen kommt nun in Position, um davon einen ersten Abzug zu machen mit der grünen Farbe, die noch auf den Walzen ist. Aufregend.

Transparentgrün auf Transparentgrün ist natürlich recht licht und man kann den Grauwert der Arbeit nicht richtig beurteilen. Aber es handelt sich ja auch erstmal um Probedrucke.

Sitzt alles richtig? Sieht alles gut aus? Ja!

Wir beflügeln uns gegenseitig.


Und nun noch Nummerieren

Dazu wird ein Nummernwerk zusätzlich in den Satz eingebaut, welches automatisch weiterzählt. Anschließend werden die Walzen gewaschen, um auch noch mit Schwarz Probedrucke mit den vielen kleinen &-Zeichen in der großen Satzform zu fertigen. Der Tiegel surrt sich warm, die Papieransauger holen regelmäßig Luft und die Walzen schmatzen. Es gibt auch mal »Krumpler«, wenn der Papiergreifer zu zaghaft ist und sich verzettelt oder auch ein tiefes Stöhnen, wenn der Heidelberger mit der Kraft von 40 Tonnen zu wenig Schwung hat und sich verklemmt. Dann ist Körpereinsatz gefragt.


Ich bin voller Respekt

vor dem Wissen und Können des Buchdruckermeisters

Tag 26 . Tag 27 . Tag 28 . Tag 29 . Tag 30

Kommentar schreiben

Kommentare: 2
  • #1

    Fritz van Rechtern (Donnerstag, 23 Januar 2020 07:52)

    Hallo Jana! Da habe ich nun deine wunderbare Beschreibung über einen exquisiten Arbeitstag gelesen und bin begeistert, was du schon so an Fachbegriffen und Arbeitsweisen erlernt hast. Mach weiter so. Bleilausige Grüße aus Soltau wünscht Gutenbergjünger Fritz van Rechtern

  • #2

    Jana auf TypoWalz (Montag, 27 Januar 2020 13:31)

    Hallo Fritz,
    hab vielen Dank für dein Lob und Gruß, ich werde in jedem Fall weitermachen und damit versuchen meinen Teil dazu beizutragen, damit dieses Handwerk nicht in vergessenheit gerät.
    Besten Dank und
    ☞ Gott grüß die Kunst