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Wenn Äpfel und Häuser gestanzt werden

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Willkommen in Mosbach

Wenn Äpfel und Häuser gestanzt werden

Eine eigene Abteilung Druckgeschichte

Gestern bin ich in Mosbach angekommen und schon am Bahnhof von Karl Kretschmer herzlich empfangen worden. Die pittoreske mittelalterliche Stadt zeigt sich bei schönstem Wetter und ich werde in das Stadtmuseums Mosbach eingeladen, in dem Karl mit seinem Verein Druckwerkstatt Mosbach e.V. eine eigene Abteilung für Druckgeschichte einrichten konnte. Gleich beim Eintritt sind verschiedene Bleisatz- und Gießmaschinen zu sehen, Beispiele für Setzerei- und Druckereieinrichtungen sowie alte Hand- und Schnellpressen der Mosbacher Zeitung.

 

Beeindruckend ist der große Johannisberger, ein sogenannter Stoppzylinder von 1890, der das ungewöhnliche Zeitungsformat 80 × 120 cm drucken kann, auch heute noch. Karl geht die Stufen hoch zur Arbeitsfläche und bringt das große Schwungrad in Fahrt. Vergleichbar mit früheren Lokrädern läuft sie an. Die Räder rotieren, die Walzen geraten in Schwung, das Druckfundament kommt in Bewegung und im Hintergrund hört man das hölzerne Klappern der Rechen. Gewaltig. Mit diesem Zylinder kann nicht nur gedruckt, sondern auch gleichzeitig das Papier geschnitten, zusammengetragen und anschließend auf Format gefaltet werden bis zur druckfrischen Zeitung.

 

Welch historisches Wunderwerk. Die alte mechanische Technik ist faszinierend und macht ehrfürchtig.


Welch historisches Wunderwerk. Die alte Mechanik ist faszinierend und macht ehrfürchtig.


Das ist ja abgekupfert

Heute früh stehe ich pünktlich vor der Tür von Karls Druckwerkstatt und freue mich auf ein Entdecken all seiner kulturgeschichtlichen Schätze. Jede Schublade, jedes Fach eröffnet neue Besonderheiten und zu allem gibt es Geschichten zu erzählen. Schon im Museum habe ich sehr viele Holzschnitte in allen Größen und Formen zu sehen bekommen, manche große Platten, andere wieder so winzig, dass es Lupen braucht, um lesen zu können. Karl zeigt mir verschiedene Prägetechniken, wie ich sie schon auf anderen Stationen kennengelernt habe. Neu für mich ist das Galvanoverfahren, das man nutzt, um mehrere identische Klischees herzustellen. Dabei wird elektrochemisch über die zu erstellende Form eine dünne Metallschicht wie ein Überzug  aufgetragen, den man im Anschluss für weitere Abformungen nutzen kann. Auch mit Kupfer ist der Vorgang üblich und wir stellen uns die Frage, ob hier wohl der Begriff »Abkupfern« entstanden ist? Wir freuen uns über unsere gemeinsame Entdeckungsreise.


Erste Erkundungen

Ich sehe Sebastian Kneipps Abbild, bekomme Einblicke in sehr viele und diverse Schriftschränke mit Blei- und Holzschriften, sehe unterschiedliche Stempelformen, die zu Firmen-Signets gesetzt werden können und entdecke, was passiert, wenn ein Käfer sich auf Farbwalzen setzt.

 

 


Alte Handwerke

Karl zeigt mir die Berichtshefte aus seiner Lehrzeit, welche ich noch in Ruhe ansehen werde. Ich sehe das Ergebnis seiner Buchdrucker-Meisterprüfung und auch seinen Meisterbrief.

 

Mir werden »Teppiche« aus Fraktur-Buchstaben vorgeführt. Ich sehe unendlich viele Messingstempel in wunderbar floralen Formen für den Buchdruck.

 

Im nächsten Raum steht eine Druckpresse mit acht eingerichteten Satzformen für das Drucken eines Buches und Karl zeigt mir dazu alle Herstellungsschritte der Buchbinderei.


Neue Technik

Und schließlich kommen wir in einen Raum mit aktuell moderner Büroausstattung. Auf dem Tisch steht in einem eigens dafür gebauten Ständer ein mächtiger Stapel Papier, der mit Buchschrauben verbunden ist.

Ich sehe verschiedene Skulpturen aus unterschiedlichen Materialien und erste Papierarbeiten, die mittels moderner Lasertechnik wie Scherenschnitte gefertigt worden sind. Das eröffnet neue Dimensionen der Papierverarbeitung.

 

Und damit kommen wir dann zu dem besonderen Papierstapel, den ich die ganze Zeit aus den Augenwinkeln bestaune.


Ein Haus im Buch

Stolz erzählt Karl von dem Künstler Olafur Elliasson. 2006 hat er dessen Werk »Your House«, das im New Yorker Museum of Modern Art ausgestellt ist, mit Lasertechnik Schicht für Schicht realisiert. Es ist ein in ein Buch gestanztes Haus mit 454 Seiten. Ich bin beeindruckt und staune, während sich Seite für Seite das Haus im Innern des Papierblocks öffnet. Man sieht Türen, Treppen, Fensterstreben, Raum für Raum als wären sie begehbar. Alles maßstabsgetreu (85:1) aus Papier, jede Seite entspricht 2,2 echten Zentimetern.

Ich bin sprachlos.


So viele Eindrücke

im wahrsten Sinne

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Kommentare: 2
  • #1

    Gert Laufenberg (Donnerstag, 23 Januar 2020 20:13)

    Hallo Jana,
    wie das mit dem Galvono genau passiert, kann ich Dir im Museum der Arbeit noch einmal genauer erklären.
    Zum Beispiel hat man bevor man Fotos im Buchdruck drucken konnte, Galvanos von den im Holzstich erstellten Abbildungen gemacht, um nicht von den wertvollen Original-Holzstichen drucken zu müssen. Die Holzstiche wurden dann archiviert, um später wieder auf sie zurückzugreifen.
    Gruß aus dem MdA
    von Gert

  • #2

    Jana auf TypoWalz (Montag, 27 Januar 2020 13:33)

    Hallo Gert,
    oh prima, darauf freue ich mich schon.
    Hab Dank und
    ☞ Gott grüß die Kunst