· 

Feuer und Flamme

Tag 26 . Tag 27 . Tag 28 . Tag 29 . Tag 30

Feuer und Flamme

Kein billiger Abklatsch

Reisen, um zu arbeiten

Immer, wenn ich unterwegs auf TypoWalz bin, gehöre ich für eine Woche zur lokal arbeitenden Bevölkerung, gehe mit der Zeit geläufig werdende Wege und begegne hier und da denselben Menschen. Ein bisschen Vertrautheit entsteht. Von jeder Reise nehme ich intensive persönliche Erfahrungen mit zurück.


Feuerprobe

Der letzte Arbeitstag beginnt, wir haben schon fleißig gearbeitet und ich habe sehr viel erlebt. Heute wollen wir noch die Plakate veredeln und dazu eines der &-Zeichen mit dem Laser stanzen. Ich bin sehr gespannt und neugierig auf den Prozess und das Ergebnis. Wir entscheiden uns für eine offene &-Figur ohne Punze, da der geschlossene Innenteil des Buchstabens sonst einfach herausfallen würde. Das Zeichen wird dazu digitalisiert, um es in Vektoren umzuwandeln. Die Position wird auf der Arbeitsfläche des Lasercutters festgelegt und wie beim Tiegel ebenfalls mit Anlegemarken versehen, die Karl, ganz Meister seines Fachs, natürlich mit Bleiquadraten setzt. Ich schmunzle.

Die Pfade sind erstellt, die Position steht fest, jetzt erfolgt der erste Probeschnitt. Die Erwartung steigt. Karl spricht von Papierdicken, Brandtiefen, Schnittkanten und Schmauchspuren und ich denke an einen Krimi. Dann, ein punktgenauer winziger Brand, eine kleine Rauchwolke und in Bruchteilen einer Sekunde hat das Papier ein Loch. Nicht irgendeins, nein, es zeigt sauber die Form eines &-Zeichens und mir entwischt ein Juchzen. Es ist großartig. Was für eine schöne Arbeit, wir sind im Glück.


und noch mehr

Jetzt könnten die Plakate fertig sein, möchte man meinen, jedoch brauchen sie abschließend auch noch ein Impressum auf der Rückseite. Dazu stehe ich bereits wieder vor dem Setzkasten der ›Deutsch-Römischen‹ Bleilettern und mache mich an den 3-zeiligen Satz in 10 Punkt. Dieser wird auf der Rückseite platziert, um die Typo-Grafik nicht zu stören. Mit deutlich geübteren Griffen setze ich Letter für Letter in den Winkelhaken, schließe die Leerräume sicher auf Mittelsatz aus und Karl macht den Schließrahmen für den Druck fertig. Ein Probedruck, ein Korrekturlesen, zwei Zwiebelfische werden durch die richtigen Lettern ausgetauscht und dann drucken wir die Auflage durch. Eine schöne Arbeit.


Billiger Abklatsch?

Karl hat bei unserer Suche nach &-Figuren auch ganz viele Holzbuchstaben gefunden, die wir jetzt nutzen, um mir zu zeigen, wie man einfach für einen Zweifarb-Druck die zweite Schließform bauen kann. Auf einem Setzschiff gestalte ich die großen Holzbuchstaben so, als wäre der nicht druckbare Raum, den die großen Buchstaben vorgeben, nicht vorhanden. Zeitgleich bereitet Karl eine durchsichtige Folie, die Abklatschfolie, vor und ich überdenke die Bedeutung des ›billigen Abklatsches‹. Die platzierten Buchstaben für die erste Schließform werden mit Farbe eingewalzt, die Buchstaben für die zweite Form kommen auf ein zweites Setzschiff an ungefähr die Stellen, wo sie später stehen sollen. Die Folie wird jetzt über die eingefärbten Lettern gelegt und mit der flachen Hand tatsächlich abgeklatscht. Eine simple Methode, um den genauen Stand mit der Folie auf das zweite Setzschiff zu übertragen. Dort wird unter der durchsichtigen Folie ausjustiert und die zweite Schließform kann gebaut werden.

Wohl doch kein billiger Abklatsch.


Richtig schließen

Wie ich inzwischen weiß, werden Holzbuchstaben anders ausgeschlossen als Bleibuchstaben, da sie leichte Unebenheiten haben können. Außerdem muss ich immer darauf achten, dass die beiden Schließrichtungen sich gegenseitig nicht behindern, da der Satz federt, wie Karl mich lehrt. Ich mache mich ans Werk und versuche die unterschiedlichen Positionen sinnvoll mit einer horizontalen und einer vertikalen Schließrichtung mit Stegen zu füllen. Karl ist sehr zufrieden, meine Lehrzeit zahlt sich aus.

Eine erfüllte und wieder sehr lehrreiche Woche geht zu Ende.


Danke Karl

und »Gott grüß die Kunst«

Tag 26 . Tag 27 . Tag 28 . Tag 29 . Tag 30

Kommentar schreiben

Kommentare: 2
  • #1

    Kretschmer Karl (Sonntag, 02 Februar 2020 22:45)

    Liebe Jana,
    Eine Woche harte Arbeit liegt hinter uns. Wir haben etwas besonderes geschaffen. Du hast ja schon viel Erfahrung mitgebracht. Jede Werkstatt hat andere Arbeitsweisen, so hoffe ich, dass ich Dir doch noch einige Tipps und Fachbegriffe erläutern konnte.
    Mir hat es rießig Spaß gemacht aus meiner Lehrzeit zu plaudern und noch dazu wenn man so eine wissbegierige Auszubildende in der Werkstatt hat.
    So danke ich auch Dir, dass Du meine Wekstatt auserwählt hast. Es war für mich eine große Bereicherung.
    Nun wünsche ich Dir für Deine weiteren Reiseziele gute Meister und viel Erfolg.
    Gott grüß die Kunst
    Karl aus Mosbach

  • #2

    Jana auf TypoWalz (Freitag, 07 Februar 2020 12:23)

    Lieber Karl,
    ich habe wieder sehr viel lernen können und ich danke dir für die Weitergabe deines Wissens. Du hast mich mit offenen Armen empfangen und meine Neugier reich belohnt. Hab herzlichen Dank und
    ☞ Gott grüß die Kunst