Auf der Suche nach et, Et, & und Co
Formen, Figuren und Ligaturen
Bewegliche Lettern
Für mich, die ich das alte Setzer-Handwerk lerne, dessen Ursprung im Mittelalter liegt und auf die Erfindung der Bleilettern* durch Johannes Gutenberg zurückgeht, ist es durchaus besonders, in einer mittelalterlichen Stadt aufzuwachen. Das Schreiben und Lesen war vor 550 Jahren, als Johannes Gensfleisch zur Laden zum Gutenberg sich mit Bleilettern auseinandersetzte, nur Auserwählten möglich und meist wurde in Latein geschrieben und später gedruckt.
In dieser Zeit sind auch viele Ligaturen entstanden, also Verschmelzungen von zwei oder drei aufeinanderfolgenden Buchstaben, die damit eine neue Form, eine neue Figur oder Type ergeben.
* Gutenberg ist nicht Erfinder der beweglichen Lettern, siehe dazu unten in den Kommentaren
Wir gehen auf Entdeckungsreise
Für meine ersten Arbeitsschritte am Heidelberger Tiegel hat Karl die Idee, verschiedene et-Ligaturen, also das »&«-Zeichen, zu setzen und zu drucken. Die große Druckpresse kann Papiere etwas größer als DIN A4 Formate bedrucken, so dass am Ende ein kleines &-Plakat entstehen wird. Um mir einen Überblick über die Schriftbestände der Druckerei zu verschaffen, hatte ich mir schon gestern die Schriftmusterbücher angesehen und mich an der sauberen Sortierung erfreut. Jede Werkstatt hat ihre eigene und ich fülle mein Wissen. Hier gibt es schmale Steckschriftregale für Bleischriften, die in diesem Maß noch gut händelbar sind und wiederum große Holzladen für Holzschriften und Holzschnitte. Karl hofft, dass wir genug Buchstaben zusammenkriegen und beginnt mit der Suche.
Um später die verwendeten Buchstaben richtig zuzuordnen, stemple ich die Lettern und beginne Listen zu schreiben. Ich mache mich ans Werk, Schublade für Schublade sortiere ich die Fundstücke gleich nach Größen. Karl zeigt mir, wie er mithilfe von aneinandergereihten Quadraten, die er beschriftet hat, schnell die Schriftgrößen ermittelt. Eine einfache und sehr hilfreiche Methode. Ich lerne.
Figuren und Typen
Bis zum Mittag hat sich mein Setzschiff schon deutlich gefüllt und ich finde die unterschiedlichsten Formen, Figuren und Zierformen. Es ist eine wahre Entdeckungsreise. Karl kommt immer wieder freudestrahlend in die Druckwerkstatt, weil er abermals neue Et-Zeichen finden konnte. Er hat nicht geahnt, welche Schätze sich in seinen Beständen finden, da dieser Buchstabe wenig Verwendung in seinem Berufsalltag hatte. Wir sind nun beide auf Erkundungstour und zeigen uns immer wieder aufs Neue unsere Fundstücke: enge, schmale, normale, breite, schräge, geschwungene, halbfette, fette, extrafette und verzierte Figuren und Typen. Wir sind fasziniert.
Nach dem Essen stelle ich an mir fest, dass auch die gute Küche halbfette Figuren erzeugt. Karl lacht.
Fabrik elastischer Typen
Kurz vor Feierabend fahren wir noch zu einem alten Kollegen von Karl, der Inhaber einer Stempelfirma in 4. Generation ist, um nach einem großen Et-Holzbuchstaben zu suchen. Diesen wollen wir als Plakathintergrund drucken. Der Kollege, auch ein ehemaliger Schriftsetzer, inzwischen schon weit über 80 Jahre alt, ist sehr erfreut, eine Schriftsetzerin in Ausbildung kennenzulernen, die obendrein auch noch auf TypoWalz ist. Wir sichten wahrlich große Schubladen mit riesigen Lettern für die Stempelherstellung. Deren Größe werden nicht mehr in Punkt sondern gleich in Zentimetern angegeben.
Ich entdecke in einer Lade eine große Form mit einem hochgestellten unterstrichenen IE und frage neugierig nach. Wir durchblättern ein Musterbuch der Firma, die sich einst klangvoll »Fabrik elastischer Typen« nannte und finden heraus, dass es eine Form wie bei Co, also das kleine hochgestellte unterstrichene o ist, deren Bedeutung finden wir jedoch nicht.
Da muss ich wohl noch recherchieren.
Weitergabe von Wissen
Schließlich ist ein geeigneter Stempelbuchstabe gefunden und weil es dem ehemaligen Stempelhersteller Freude macht, dass ich das alte Handwerk erlerne, beschenkt er mich sogleich mit dem Musterbuch und noch zwei weiteren.
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Achim L42 (Dienstag, 21 Januar 2020 22:55)
Da sitz man am Meer auf Oahu/Hawaii und sieht diesen tollen Bericht. Der Tag ist gerettet.
Bin gespannt auf die Schriftmusterbuecher.
ALOHA-Achim
Albert-Jan Pool (Dienstag, 21 Januar 2020 23:37)
Co steht für das englische Company, Cie steht für das französische Compagnie, es ist in etwa das Gleiche wie in Deutschland die Gesellschaft wie in GmbH.
Sabine Fehmer (Mittwoch, 22 Januar 2020 08:21)
Wow! Ich bin mal wieder total beeindruckt. Das mit den beschrifteten Quadraten ist ein toller Hinweis; bestimmt sehr sehr hilfreich! Und deine Listen: wie viel Fleißarbeit! Toll. Das wird bestimmt ein sehr schönes Plakat. Ich freue mich schon auf morgen...
LG Sabine
Jana auf TypoWalz (Mittwoch, 22 Januar 2020 08:28)
Vielen Dank Achim,
für deine lieben Grüße aus der Ferne und
☞ Gott grüß die Kunst
Jana auf TypoWalz (Mittwoch, 22 Januar 2020 08:30)
Oh, wie toll Albert,
hab vielen Dank für diese spannende Information und
☞ Gott grüß die Kunst
Jana auf TypoWalz (Mittwoch, 22 Januar 2020 08:33)
Es freut mich Sabine, wenn es dir gefällt und du auch dabei lernen kannst. Ich bin selbst schon sehr gespannt, wie es wird. Danke und
☞ Gott grüß die Kunst
Hanns Kirschmer (Donnerstag, 23 Januar 2020 11:01)
Hallo Jana auf Typowalz,
Gutenberg hat die bewegliche Letter aus Blei erfunden, nicht die bewegliche Letter ansich. Die gab es
schon viel früher aus verschiedenen Materialien (Holz, Ton) in China.
Beste Grüße
Hanns, alter Schwarzkünstler
Gert Laufenberg (Donnerstag, 23 Januar 2020 19:51)
Moin Jana,
das mit den beschrifteten Quadraten ist sicher eine Hilfe, um die Schriftgröße festzustellen.
Aber bis zu Deiner Gautschfeier kannst Du das sicher auch ohne.
Viel Spaß und Erfolg auch weiterhin wünscht Dein Schriftsetzer-Kollege Gert aus Hamburg-Barmbek.
Jana auf TypoWalz (Montag, 27 Januar 2020 13:37)
Hallo Hanns,
das ist vollkommen richtig und werde ich im Text korrigieren. Auf dem Schriftenfest 2018 in Dresden gab es dazu einen sehr beeindruckenden Vortrag:
(...) Nicht jeder hierzulande weiß, wem die Menschheit die Erfindung des Druckens zu verdanken hat, die unsere Welt so grundlegend veränderte. Weniger noch ist bekannt, dass bereits 200 Jahre früher in Korea mittels Sandgussverfahren Lettern hergestellt wurden, mit denen man auf ähnliche Art drucken konnte. ›Jikji‹ lautet der Titel des nur in einem einzigen Exemplar erhaltenen Buches, das im Heungdeok-Tempel in Cheongju 1377 gefertigt wurde und zum Weltkulturerbe zählt. Das Ereignis wird alle zwei Jahre im großen Stil mit dem Internationalen ›Jikji‹-Festival in Cheongju gefeiert, worüber Jung-Ja Holm aus Korea beim 5. Dresdener Schriftenfest berichten wird. (...) Quelle: https://www.pirckheimer-gesellschaft.org/blog/schumachergebler
Also, besten Dank und
☞ Gott grüß die Kunst
Jana auf TypoWalz (Montag, 27 Januar 2020 13:41)
Hallo Gert,
mein Wissen wächst, ich werde immer besser und bis zum meiner Gautschfeier im Sommer 2021 ist auch das, Dank all eurer Hilfe, auf das sicher gelernt.
Wir sehen uns im Museum und
☞ Gott grüß die Kunst