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Die »alten Damen« schnaufen schöner

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Alte und neue Druckwelten

von gestern auch für morgen

Stempelrohlinge

Beim Durchstöbern der Schränke in der Werkstatt fand ich gestern ungewöhnliche Lettern oder Stempel. Heute Morgen lesen Katharina und ich dazu im »Lehrbuch der Druckindustrie« und erfahren, dass es sich hierbei um vierkantige Stahlstäbchen handelt. Auf diesen hat ein Stempelschneider bereits das Typenbild geritzt. Um jedoch einen Matrizenstempel zur Herstellung von Bleilettern zu fertigen, fehlen noch etliche Arbeitsschritte, wie in der Abbildung ganz rechts zu erkennen ist.


Wie fange ich an?

Mein heutiges Ziel ist es, eine Form mit den gestern ausgewählten kleinen Klischees zu bauen, so dass diese später beim Stanzen passend in den kleinen Etiketten sitzen. Wie fange ich an? Alle Höhen und Breiten sind unterschiedlich. Setze ich lieber der Breite oder der Länge nach? Gelernt habe ich, immer in ganzen Maßen zu denken, sehe mir das Raster der Stanzform an und erkenne, dass ich gut der Länge nach arbeiten kann. Beschwingt lege ich los und fülle zunächst meine Form mit Regletten und Stegen Stück für Stück.


Ein Ausflug in eine andere Werkstatt

Danach machen wir uns zu Fuß auf den Weg in die Muthesius Kunsthochschule. Hier sind wir mit Roland Spreth, dem Leiter der Druckwerkstatt verabredet und ich bekomme die Gelegenheit, die Werkstätten zu besichtigen. Es gibt mehrere gut ausgestattete Arbeitsplätze und ich freue mich zu sehen, dass die Studierenden sich hier mit dem traditionellen Handsatz auseinandersetzen und sogar selbst setzen. Dabei werden sie fachlich begleitet und beraten von Roland, der selbst gelernter Schriftsetzer ist.


Altes Wissen und moderne Technik

Im nächsten Raum steht eine FAG-Abziehpresse und hier ist auch die Buchbinderei. Ich sehe eine riesige Pappschere, Eckenstanzen, Papierbohrer, Heftmaschinen, Nutpressen und unter anderem auch eine Prägemaschine. So kann der Kreativität freien Lauf gelassen werden. Darüber hinaus existiert auch ein Drucksaal mit modernen Heidelberger Druckmaschinen, die allerdings kaum noch Ähnlichkeiten mit den traditionellen Modellen haben. Sie sind zwar schneller, können aber nicht annähernd so gut schnaufen wie die »alten Damen«.


Kunst in Postkartenform

Unser nächstes Ziel ist der Laden, in dem Katharina ihre wunderbaren Postkarten und sonstigen Erzeugnisse zum Kauf anbietet. Hier finde ich eine Fülle von kreativ zusammengestellten Motiven und Mehrfarbdruckartikeln der vielen, vielen Klischees aus ihrem Fundus. Außerdem bietet sie Schachteln und Kisten an, jeweils in individueller Handarbeit gefertigt. Es darf natürlich der Druckergreif, das Wappen der Buchdrucker und Logo von der Umtriebpresse an der Wand nicht fehlen, der neben einem Trettiegel stolz Wache hält.


Der Andruck macht erst sichtbar

Zurück in der Werkstatt stelle ich meine Satzform fertig, schließe und teste sie. Der »Satz steht«. Katharina startet den Tiegel, ich genieße das Schnaufen, und der erste Abzug zeigt das Druckbild der vielen historischen Abbildungen. Ich bin begeistert. Natürlich ist noch nicht alles gleichmäßig im Druck. Aber wir machen für heute Schluss. Morgen geht es dann an die Feinarbeit, dem Ausgleichen der leichten Unebenheiten mit dem ganz feinem »Florpost« Papier. Ich freu mich schon auf das Ergebnis.


Neue Eindrücke

Kieler Druckstätten

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Kommentare: 6
  • #1

    Thomas Gravemaker (Mittwoch, 18 August 2021 22:29)

    Hallo Jana, können Sie vielleicht gute Fotos machen von den 'Pangone' Handleitungen? Ich habe 'Pangone' aber es fehlt mir die Handleitung. Vielen, vielen Dank!

  • #2

    Karl (Mittwoch, 18 August 2021 22:59)

    Liebe Jana,
    da hast du ja wieder einen Glücksgriff gemacht. Eine Werkstatt geschleckt sauber, viel Platz.
    und endlose Schätze. Das möchte ich auch mal besichtigen.
    Mach weiter so und bleib gesund bis demnächst.
    Gott grüß die Kunst
    Karl aus Mosbach

  • #3

    Gert Laufenberg (Donnerstag, 19 August 2021 12:27)

    Hallo Jana,
    vielen Dank für den Bericht aus Kiel.
    Die alten Heidelberger Zylinder haben einen "Sound", mit dem die neuzeitlichen Offsetmaschinen nicht mithalten können.
    Dieser Sound hat mich, als ich vor über 25 Jahren die Buchdruckerei des Museums der Arbeit zum ersten Mal betrat, sofort wieder eingefangen.
    Die Satz-Regale in der Kunstschule sind die typische Einrichtung aus den 50-er Jahren, wie sie auch genau so in der Hamburger Gewerbeschule zu finden waren.
    Danke für die Erinnerungs-Anstöße.
    Bis bald im Museum der Arbeit.
    Gert

  • #4

    Jana auf TypoWalz (Donnerstag, 19 August 2021 21:17)

    Hallo Thomas,
    gern habe ich Fotos gemacht und werde diese per E-Mail senden. Ich habe allerdings kein richtiges Handbuch gefunden nur den Begleitzettel und einen kleinen Text in einem anderen Fachbuch. Vielleicht hilft es ja trotzdem weiter
    Viel Erfolg und ☞ Gott grüß die Kunst

  • #5

    Jana auf TypoWalz (Donnerstag, 19 August 2021 21:19)

    Lieber Karl,
    ja, die Druckwerkstatt der Hochschule ist sehr großzügig und lädt ein zum Setzen.
    Auf bald und ☞ Gott grüß die Kunst

  • #6

    Jana auf TypoWalz (Donnerstag, 19 August 2021 21:23)

    Lieber Gert,
    wie schön zu hören, dass dir das Schnaufen der „alten Damen“ auch so gefällt und ich aus deinen Erzählungen auch so viel erfahre. Dafür geht der Dank an dich und ☞ Gott grüß die Kunst, Kollege