· 

Wenn Schriften gut sortiert sind

Tag 21 . Tag 22 . Tag 23 . Tag 24 . Tag 25

Wenn Schriften gut sortiert sind

und der Gelassenheitstext

Der Start in eine 3-Tage-Woche

Pünktlich stehe ich vor Christas Handsatzwerkstatt mit meinem Werkzeug, meiner Schürze und meinem TypoWalz Becher sowie mit einer geballten Vorfreude im Gepäck. Christa strahlt und ich erwidere ihr Lächeln.


Nichts geht über eine gute Ordnung

Gestern haben wir besprochen, was alles möglich ist und was ich in diesen drei Tagen schaffen kann. Es gibt einen reichen Fundus an Holzschriften, aber auch eine Menge gut sortierter Bleischriften.

Ich bekomme zur Einsicht zwei werkstatteigene Schriftmusterbücher, die den Bestand der Setzerei auflisten. Es sind vielfältige und auch recht große Plakatschriften dabei. Da ich mir bereits überlegt habe, dass ich ein Plakat setzen möchte, konnte ich gleich beginnen, mir Schriften dafür auszusuchen.

Das Papier wird gewählt und dann sammle ich mir die einzelnen Buchstaben zusammen. Ich wähle Holz- und Bleischriften in verschiedenen Größen, um daraus den Text des »Gelassenheitsgebets« zu setzen und zu gestalten.

 

Christa bittet mich, die einzelnen Holzbuchstaben mit Bleistift an der Seite mit den Ziffern für Schrank und Regal zu beschriften, um das Ablegen der Schrift anschließend zu erleichtern.

Was für eine einfache, aber effektive Idee.


Schriftmischung

Üblicherweise haben Schriftsetzerinnen und Schriftsetzer Schriften innerhalb eines Textes nicht gemischt, so dass Christa gespannt ist auf meine Gestaltung. Das bin ich auch. Denn jedes Mal stehe ich vor der Herausforderung, das ausgewählte Material so zu arrangieren, dass der Text inhaltlich, typografisch, aber auch handwerklich exakt angeordnet ist. Und diesmal habe ich mir bei dem Wort ›Gib‹ ein so breites ›b‹ ausgesucht, dass der gesamte Textblock viel breiter ist, als ursprünglich gedacht. Aber das macht das Setzen und Gestalten ja so interessant.


Der Stundensatz bekommt eine neue Bedeutung

Während ich gestalte, setze, rechne und immer wieder nachmesse, zeigt Christa mir aus ihrer Lehrzeit sogenannte »Stundensätze«, also in Blei auf Zeit gesetzte Texte im ›glatten Satz‹ (das ist der heutige Blocksatz) mit möglichst wenigen Trennstrichen und vorweg der Angabe über die Zeichen in einer Zeile. Das ist sehr lehrreich und ich werde das üben ...


Schriftsetzerinnenglück

Mein Plakattext nimmt inzwischen schon Form an und ich nehme gern alle Tipps und fachlichen Ratschläge von einer Schriftsetzermeisterin an. Ich lerne und lerne.

Christa lobt meinen Fleiß und wie sie sagt »saubere Arbeit« mit den Worten: » ... du bist schon jetzt eine Schriftsetzerin« und ich kann mein Glück nicht fassen.


Große Buchstaben brauchen Platz

Das dicke ›b‹ ist eine knifflige Herausforderung, da es viel Raum einfordert, d.h. es entsteht ein ungewollt großer Weißraum, in dem nicht mehr gesetzt werden kann mit der Folge einer lückenreichen und unausgeglichenen Plakatgestaltung. Um das Problem zu lösen, rät Christa, in zwei Schritten zu drucken. Auf diese Weise kann beim nächsten Druck der zu große Weißraum mit den dafür vorgesehenem Worten vervollständigt werden. So müsste der Text insgesamt gut zu lesen sein. Wie schön.


Daher machen wir morgen den Andruck

und ein Klebelayout zum Test

Tag 21 . Tag 22 . Tag 23 . Tag 24 . Tag 25

Kommentar schreiben

Kommentare: 6
  • #1

    Sabine Fehmer (Dienstag, 05 November 2019 08:17)

    Liebe Jana,
    und wieder habe ich so viel gelernt! Ich kann es nur immer wieder sagen: Deine Berichterstattung ist so fantastisch. Eine große Bereicherung.
    Danke.
    LG Sabine

  • #2

    Gert Laufenberg (Dienstag, 05 November 2019 08:46)

    Moin Jana,
    ich sehe, Deine Arbeiten werden immer professioneller.
    Das mit einer zweiten Druckform, um Leerräume zu überlisten, habe ich oft bei Namen auf Geschäftsdrucksachen angewendet, um störenden Leerraum zu vermeiden. Wie z.B. zwischen dem großen W und dem nachfolgenden Kleinbuchstaben.
    So konnte man das unschöne abfeilen der Lettern vermeiden.
    Man findet immer wieder Lettern in alten Schriftbeständen, die so verunstaltet wurden.
    Im Museum der Arbeit vermeiden wir das auch grundsätzlich, um unseren Schriftbestand nicht zu beschädigen.
    In einige Schriften gab es auch Ligaturen wie Wa oder Ve oder Ta usw.
    Oder es wurden schon Lettern mit entsprechenden Überhängen mit geliefert.

    Viele Grüße
    vom
    Schriftsetzer-Kollegen
    Gert

  • #3

    ACHIM, SMS (Dienstag, 05 November 2019 10:24)

    Wenn Du so weiter machst, dann kannst Du in 27 Jahren meinen Ludolfstraßen-Laden haben, ich bin dann einhundert. . . Du wärst ein würdiger Nachfolger.

    Ganz nette Grüße aus der L42
    Achim

  • #4

    Jana auf TypoWalz (Mittwoch, 13 November 2019 13:59)

    Liebe Sabine,
    es freut mich, wenn du mit mir lernen kannst und du meinem Wander-Blog gern folgen magst.
    Danke und
    ☞ Gott grüß die Kunst

  • #5

    Jana auf TypoWalz (Mittwoch, 13 November 2019 14:06)

    Lieber Gert,
    vielen Dank für dein Lob. Ja, ich lerne und lerne. Von dem ›Mehrfarbdruck‹, wie Christa mich lehrte, habe ich zwar schon viel gehört und gesehen, aber bisher selbst nicht angewendet, daher war es ein weiteres Kennenlernen und Erfahren.
    Die Ligaturen der genannten Buchstabenfolgen würde ich gern einmal sehen.
    Viele Grüße und
    ☞ Gott grüß die Kunst

  • #6

    Jana auf TypoWalz (Mittwoch, 13 November 2019 14:09)

    Lieber Achim,
    was für ein dickes Lob. In 27 Jahren bin ich zwar auch schon in Rente, aber ich übernehme deine Werkstatt sehr gern … oder auch ein paar Jahre früher.
    Liebe Grüße und
    ☞ Gott grüß die Kunst