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Das Blei glänzt und die Sonne strahlt

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Ein Willkommen

unter Kollegen

Millionen Matern aus Messing, Stahl und Kupfer

Bevor das Museum heute für Besucher geöffnet wird, führt mich Rainers Tochter Angelika in die Matern-Kammer der Kelleretage. Ich erfahre, dass Matrizen und Matern dasselbe sind. Gestern kam ich schon ins Staunen, doch hier bin ich überwältigt. Schriftgeschichte zum Anfassen erstreckt sich in Gängen vor uns, verpackt in Tausende kleiner Pakete. Ich finde viele bekannte Schriften, die ich zum Teil schon selbst im Handsatz genutzt habe und etliche, die ich zudem digitalisiert kenne. Über eine Million Schriftbilder aus verschiedenen Epochen lagern hier als Original-Matern in Messing, Stahl und Kupfer. Unvorstellbar. Sie bilden bis heute die Grundlage des Lesens für alle.


Ehrenamtliche halten das Handwerk am Leben

Inzwischen ist das Museum geöffnet und ich bin eingeladen zu einer Führung durch die Druckwerkstätten. Es ist gut zu wissen, dass es auch hier Ehrenamtliche gibt, die ihr Wissen und Können weitergeben und mich als Kollegin willkommen heißen. Auf diese Weise bleibt das Handwerk weiter am Leben. Mir werden die Handsetzerei und die Maschinensetzerei gezeigt, die gegenüber im Drucksaal bei den mächtigen Schnellpressen stehen.


Kartons voller Holzschriften und -regletten

Der Kollege Günter führt mich in eine andere Etage, in der weitere Schrift- und Druckmaschinen abgedeckt stehen und auf Nutzung oder Weiterverwertung warten. In einem Regal stehen Kartons über Kartons mit Abbildern großer Schrifttypen, die sich darin verbergen. Ich genieße den Anblick der alten Holzschriften, die Günter mir stolz zeigt. Außerdem sehe ich zum ersten Mal ein Regal mit Regletten aus Holz, welche für den Plakatsatz mit großen Holzlettern verwendet wurden. Damit lässt sich sicher gut arbeiten und gern würde ich sie einmal ausprobieren.


Danke für die freundliche Begegnung

Abschließend werde ich am Ort für »Gäste und Gästinnen« auf einen Kaffee eingeladen, und die Kollegen sowie eine Schriftsetzer-Kollegin schreiben mir noch einen Beitrag in mein immer dicker werdendes Wanderbuch. Das ist mittlerweile zu einem dicken Geschichtsbuch meiner Reise gewachsen. Für ein gemeinsames Gruppenfoto im Drucksaal ziehen die Ehrenamtlichen alle noch einmal ihre Schürzen an. Vielen Dank für die nette Begegnung.


Nagelneue Bleilettern

Zurück in der Gießerei, ist Rainer nach allerlei Widrigkeiten mit der Maschinen-Temperatur doch mit dem Gießen fertig geworden und ich kann die frisch glänzenden »Sabon Kursiv« Lettern auf dem hölzernen Winkelhaken »absetzen«. Der Holzwinkelhaken ist nicht vergleichbar mit dem mir bekannten Setzwinkelhaken. Er ist 5 Zeilen breit, das heißt 5 mal 24 Cicero wie Rainer mir erklärt und dient als eine Art Buchstabenregal für die nagelneuen Bleifiguren. Anders als beim Setzen werden die Lettern hier mit dem Druckbild nach vorn abgelegt, um sie zu erkennen und besser sortieren zu können.


Atemberaubende Aussicht vom Goetheturm

Am frühen Nachmittag tut sich unerwartet der Himmel auf und die Sonne leuchtet kraftvoll die Farben des Herbstes aus. Das will Rainer nutzen und mir den Frankfurter Goetheturm zeigen. Die Aussicht über die Stadt ist bei diesem Herbstlicht atemberaubend.

Später erwarten wir noch Besuch von dem Schriftsetzermeister Hans Dubronner aus Bruchsal, der bei Rainer Futura-Typoelemente bestellen will und den Herstellungsprozess in der Gießerei gerne kennenlernen möchte. Wir freuen uns auf einen gemeinsamen Abend mit Hans und auf einen regen Austausch unter Fachleuten.


Bleierne Schriftgeschichte

kann auch sehr leicht sein

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Kommentare: 6
  • #1

    Sandra Wendt (Mittwoch, 20 Oktober 2021 06:16)

    Was für ein abgefahrener Bericht, ich bin überwältigt von deinen Bildern. Diese Massen dort in den Regalen…was fasziniert dich so sehr was du da auf dem Bild in der Hand hast? Ich erkenne da irgendwie nichts .

  • #2

    Sabine Müller-Braaker (Mittwoch, 20 Oktober 2021 07:35)

    Unglaublich beeindruckend. Vielen Dank, dass du mich mit deinen Berichten auf eine Zeitreise mitnimmst. Jedes Mal wird mir klar, dass es ohne die Menschen, die früher und heute fasziniert waren/sind, von der gedruckten Kommunikation, es z.B. nicht möglich wäre, dir diesen Kommentar zu schicken...und immer wieder ergreift mich ein Gefühl von Ehrfurcht, wenn ich über diese traditionsreichen Handwerke nachdenke. Mögen sie wirklich nie "aussterben".

  • #3

    Jana auf TypoWalz (Mittwoch, 20 Oktober 2021 22:19)

    Liebe Sandra,
    es freut mich sehr, dass du mich so begeistert begleitest. Normalerweise sind Regletten, also die Zeilenabstände, aus Blei und diese sind aber aus Holz. Solche habe ich zuvor noch nie gesehen, daher meine Begeisterung.
    Auf bald und ☞ Gott grüß die Kunst

  • #4

    Jana auf TypoWalz (Mittwoch, 20 Oktober 2021 22:22)

    Liebe Sabine,
    mehr kann ich nicht erreichen, als dass ich auch andere für dieses alte Handwerk begeistern und sensibilisieren kann. Es ist so wichtig, dass wir uns dieses Kulturgutes bewusstwerden und würdigen.
    Vielen Dank für deine lieben Worte und ☞ Gott grüß die Kunst

  • #5

    Peter Strasser (Donnerstag, 11 November 2021 19:18)

    Gott grüß' die Kunst liebe Jana und herzliche
    Grüße aus dem Druckmuseum Darmstadt.

    Einfach Spitze Deine Seiten!!

    Peter

  • #6

    Jana auf TypoWalz (Freitag, 12 November 2021 09:04)

    Lieber Peter,
    ich freue mich über deinen Gruß und dein Lob – das tut immer gut.
    Vielen Dank und ☞ Gott grüß die Kunst