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Man kann alles drucken

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Eine Werkstatt

voller Kreativität

Und meine Heimat

Diesmal fahre ich nicht in die Ferne, sondern bleibe zu Hause und fahre in den Stadtteil, in dem ich groß geworden bin. Hamburg-Eppendorf ist meine Heimat. Achims Werkstatt ist ein Laden, in dem er seine Arbeiten direkt an begeisterte Kunden verkauft. Als ich ankomme, ist bereits ein Käufer im Laden und beide im Gespräch vertieft. Ich atme die Druckereiluft, binde meine Schürze und Werkzeugtasche um und werde begrüßt von meinem ersten Plakat, das ich hier im Rahmen eines Workshops im Handsatz gesetzt und gedruckt habe. Was für ein Willkommen.


Echte Plakatbuchstaben

Achim begrüßt mich freudestrahlend und wir fangen gleich an zu planen. Was mache ich in dieser Woche? Mir stehen eine große Korrex- und kleine andere Abziehpressen, ein Hand- und sogar zwei Trettiegel zur Verfügung. Auf der Korrex liegt ein gigantischer Holzbuchstabe, mit dem man allein ein Plakat füllen kann. Achim hat sich ein Riesen-Alphabet fertigen lassen. Die Maserung ist deutlich zu erkennen und ich erfahre, dass die Walzenspuren absichtlich sind. Es geht dabei nicht um Perfektion, sondern um kreative Gestaltung.


Onkel Hans und Opa Ernst

Hier wird alles ausprobiert und gedruckt, was das Zeug (aus)hält. Neben Papier, Stoff, Wolle, Metall und Holz, werden auch Palmenfasern und andere Produkte bedruckt, gelasert, gefräst, gestanzt oder genäht. »Man kann alles drucken« sagt Achim und zeigt mir stolz auf einer »hochprozentigen« Produktion das Foto von seinem Onkel Hans. In Achim steckt neben einer sprudelnden Kreativität auch viel, sehr viel Humor.


Druckmaschinen in allen Größen

In den Regalen finden sich lauter Schätze wie eine Druckerei in einer Buddel, ein Nachbau einer hölzernen Kniehebelpresse, wie zu Gutenbergs Zeiten und sogar eine funktionstüchtige kleine Druckpresse für Visiten- oder Postkarten. Hierfür wurden Buchstaben anderer Höhe verwendet, die dann mit Schraubzwingen fixiert, mit der winzigen Walze eingefärbt und schließlich mit mechanischer Kraft auf Papier gedruckt wurden. Ich bin beeindruckt, was es früher bereits alles für Möglichkeiten gab.


Anzeigen, Proben und Reklame

Schließlich holt Achim alte Kataloge von 1895, tatsächlich sind es richtig gebundene Bücher und zeigt mir Reklameanzeigen und Papierproben zu den damaligen Maschinen und ihren Anwendungen. Es sind wahre Kostbarkeiten, die ich mit heutigem Wissen und handwerklichem Können erst richtig beurteilen kann. Sie zeigen eine Präzision, die mit heutigen Druckerzeugnissen allemal mithalten kann. Damals ging es nicht um Masse, sondern um das Besondere.


Gestalter von Anfang an

An den Wänden der Kleinen Letternpresse zeugen Fotos von einem Beruf aus Leidenschaft. Als 16-Jähriger hat Achim Wittrin in Kiel bei Dürmeyer Schriftsetzer gelernt und war viele Jahre anschließend auf Sylt bei der dortigen Rundschau angestellt, wo er als Metteur arbeitete. Der Metteur oder auch ›Metteur en page‹ ist der ›mit dem Umbrechen betraute Setzer‹, der Zeitungsseiten sinnvoll anordnet und gut gestaltet. Gestaltung zeichnete Achim schon früh aus, so dass er auf Märkten damit nebenbei auch gut Geld verdiente.


Einmal an den Trettiegel

Normalerweise komme ich ohne konkrete Planungen in eine Werkstatt und sehe mir die Ausstattung und Möglichkeiten an. Da ich hier bereits war, habe ich schon eine Vorstellung davon, was ich gestalten möchte. Gern würde ich mal auf einem Trettiegel arbeiten und zwar mit Transparentpapier. Beides habe ich noch nicht gemacht. Außerdem möchte ich mit Textil experimentieren und habe dazu Material mitgebracht. Ich bin gespannt.


Auf in eine kreative Woche

Ich bin gespannt

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Kommentare: 6
  • #1

    Albrecht (Montag, 30 November 2020 22:12)

    Liebe Jana, schön, dass ich dich auf deiner Reise begleiten und deine Begeisterung für deinen Beruf und alles, was damit zusammenhängt, erleben darf! Angesichts der Altersdurchschnitts der noch aktiven Buchdrucker sind Nachfolgerinnen wohl dringend nötig ... Wenn du im Januar nach Bremen kommst, würde ich dich gern persönlich kennenlernen, wenn es die Corona-Lage erlaubt (ich muss sehr vorsichtig mit Kontakten sein).Hoffen wir! In den letzten Wochen habe ich großes Vergnügen über einen Onlinekurs mit der Textura gehabt! Dabei bin ich auch auf
    die sog. Wilhelm-Klingspor-Schrift gestoßen, die der Schriftkünstler Rudolf Koch in den 20-er Jahren für die Klingspor-Schriftgießerei entwickelt hat. Sehr interessant - und ich kann mir vorstellen, wie vielfältig und interessant deine Entdeckungen auf der Walz sind!
    Ich wünsche dir weiter eine gute Zeit!
    Herzlichst, Albrecht.

  • #2

    Helga und Gisrla (Montag, 30 November 2020 22:15)

    Liebe Jana, da wir heute wieder unseren "Offene Werkstatt Ersatzkochabend " hatten, mussten wir noch in Eppendorf einkaufen. Da fiel uns ein, dass wir mal schnell bei dir vorbeischauen könnten. Gesagt- getan. Dein Chef wurschtelte da noch rum, aber du hattest schon Feierabend gemacht! Also: frohes Schaffen noch diese Woche!
    Grüße von Gisela und Helga
    Übrigens: bei uns gab es "Kürbissalat mit Rotkohl und Granatapfelkernen" aus dem Magazin der Süddeutschen. In Abwandlung des Rezeptes haben wir Blinis gebacken und noch türkischen fetten 10%igen Jodhurt dazu gereicht. Empfehlenswert!

  • #3

    Jana auf TypoWalz (Dienstag, 01 Dezember 2020 19:14)

    Lieber Albrecht,
    es ist mir eine Freude, wenn ich dich auf meine Reise mitnehmen und davon erzählen kann. Ich will versuchen so viel zu lernen, wie es möglich ist und damit meinen Beitrag zum Erhalt zu leisten. Ein Kennenlernen und Austausch über die Wilhelm-Klingspor-Schrift ist ein schönes Ziel.
    Vielen Dank und ☞ Gott grüß die Kunst

  • #4

    Jana auf TypoWalz (Dienstag, 01 Dezember 2020 19:19)

    Lieber Helga und liebe Gisela,
    was für eine nette Idee mich in der Werkstatt zu besuchen – ich hätte euch gern willkommen geheißen. Wir sehen uns spätestens im Museum wieder, wenn alles wieder entspannter ist und bis dahin trefft ihr euch statt in der »Offenen Werkstatt« zum Gemeinsamen kochen. Weiter so.
    Euch vielen Dank und ☞ Gott grüß die Kuns

  • #5

    Gert Laufenberg (Dienstag, 01 Dezember 2020 19:46)

    Moin Jana,
    von der Wilhelm-Klingspor-Schrift
    möchte ich auch gerne mehr von Albrecht erfahren, zumal der Kopf vom Hamburger Abendblatt aus der Klingspor-Gotisch entstanden ist.
    Dir wünsche ich noch viel Spaß bei der Arbeit und bleib gesund.

  • #6

    Jana auf TypoWalz (Mittwoch, 02 Dezember 2020 08:17)

    Lieber Gert,
    die Wilhelm-Klingspor-Schrift ist besonders und reich ausgestattet. Ich wusste gar nicht, dass sie auch unser Hamburger Abendblatt ziert. Das werde ich mir gleich einmal ansehen.
    Hab Dank für deine guten Wünsche und ☞ Gott grüß die Kunst