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Eine Museumsdruckerei auf Paletten und das Landleben

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Eine Druckerei zieht um

in eine ehemalige Molkerei

Wohnen und arbeiten auf einem Bauernhof

Zum ersten Mal bin ich nicht nur zu Besuch in einer Werkstatt bei einem Meister, einer Meisterin, eines Lehrherrn oder eines Fachmannes, sondern auch ein paar Dörfer weiter zu Gast in dem privaten Wohnhaus der Familie von Michael Linke. Dies ist ein ausgebauter Bauernhof mit richtigem Landleben. Der Hahn kräht früh, die Schafe blöken fröhlich und der charmante, riesige Haushund Charly ist – im wahrsten Sinne – einfach umwerfend.

Michael ist nicht nur der Leiter der Museumsdruckerei, sondern auch einer der ganz wenigen noch aktiven Holzletternfräser, die es überhaupt gibt. Auf dem Hof befindet sich auch seine Holzwerkstatt, auf die ich mich ganz besonders freue.


Eine Museumsdruckerei zieht um

In Hoya heißen mich Michael und seine »Schwarzen Jünger« herzlich willkommen. Die Museumsdruckerei will Michael altersbedingt der Stadt vermachen. Sie wird nach umfangreichen Umbau- und Sanierungsarbeiten in einer ehemaligen Molkerei ihre neuen Räume voraussichtlich nächstes Jahr beziehen. Der Umzug aus den alten Gebäuden des Pfarrhauses in eine der Lagerhallen der Molkerei war bereits im April diesen Jahres. Seither warten unter Abdeckfolien ganze Gassen voller Schriftschränke, diverse Druckmaschinen, Papierlager, Schneidemaschinen und Werkzeuge geduldig auf ihren Einsatz in den neuen Räumlichkeiten. Unzählig viele Schrift- und Setzkästen freuen sich auf eine neue Bestückung mit Drucklettern.

Ein Teil der Setzerei und Druckerei ist auf Paletten provisorisch aufgebaut, um bis zum Einzug in die neuen Räume arbeiten zu können. Eine Buchdruckerei, die für Publikum geöffnet werden soll und als aktives Museum geplant ist, braucht viel Zeit und ist eine große Herausforderung.


Druckerei auf Paletten und die Frakturschriften

Die »Druckerei auf Paletten«, wie Michael liebevoll meint, stehen neben einer Fülle an Holzschriftkästen auch viele Bleisätze, die wieder in ihre Steckschriftkästen zurücksortiert bzw. abgelegt werden müssen. Bei dieser Gelegenheit werden halb gefüllte Kästen in neuen zusammensortiert und Michael fragt mich, ob ich mich an die Ablegung einer gebrochenen Schrift, der Wilhelm-Klingspor-Gotisch einer Textura von 1925, machen wolle. Die Besonderheit von Textura-Schriften ist die Vielfalt an Ligaturen, also zusammengefassten Buchstaben, die in anderen Blei- oder heutigen digitalen Schriften wenig oder gar nicht vorkommen.

Ich nehme die Herausforderung an und gleich beim kleinen »a« stelle ich eine weitere Eigenart der Textura fest. Ich entdecke unterschiedlich breite und schmale Varianten des  »a«ebenso des kleinen – oder auch gemeinen – »e«, dem »r« sowie dem »s«. Diese Varianten ermöglichen ein gleichmäßiges Druckbild beim glatten Satz (Blocksatz).


Nicht aus dem Effeff, das ff

Die ersten Reihen sind zusammengetragen und gesteckt, dann folgen die vielfältigen Figuren des »f«. Es gibt »fa«, »fe«, »ff«, »fi«, »fo«, »fu« sowie »fä«, »fö« und »fü«, aber auch Dreier-Kombinationen wie »ffi« und obendrein noch verschiedene Zierformen als Abschlussletter.

Tja, und in welcher Reihenfolge soll ich diese nun sortieren? In dem einen Kasten sind sie alphabetisch abgelegt, im anderen scheinbar nach Häufigkeit der Verwendung. Was ist sinnvoll? Gehört das »ch« zum »c« oder besser zum »h«, das »sch« zum »s« oder zum »h«. Erst die Interpunktionen, dann die Versalien, also die Großbuchstaben, und anschließend die Ziffern, oder die Versalien zum Schluss? Ich sehe mir weitere Steckschriftkästen zum Vergleich an und entscheide mich für eine alphabetische Sortierung. 


Von Birnbaum- und Hirnholz

Zurück im Bauernhaus gehen Michael und ich endlich in die Holzwerkstatt und er zeigt mir Fräsmaschinen, scheinbar endlos viele Schablonen unterschiedlichster Schriften und den reichen Fundus an über Jahre getrockneten Birnbaum- sowie europäischen und kanadischen Ahornhölzern.

Für Holzbuchstaben braucht man Hirnholz oder Stirnholz. So wird das Holz bezeichnet, welches quer zur Faserrichtung geschnittenen ist und in dem die Jahresringe als Kreise oder Kreissegmente zu erkennen sind – ich habe viel zu lernen. Morgen erfahre ich mehr.


Meine Holzschablonen

In meinem Reisegepäck habe ich einige Holz-Schablonen von Schriftzeichen und einzelnen Buchstaben, die ich vor ein paar Jahren in einer Werkstatt gesägt habe.

Ich freue mich sehr, dass Michael meint, sie lassen sich gut zum Fräsen verwenden. Davon können wir in dieser Woche einige herstellen und ich bin im Glück.


Auf dem Land gibt es so viel

zu entdecken und zu lernen

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Kommentare: 2
  • #1

    Sandra von Hooge (Freitag, 04 September 2020 11:38)

    Was für ein Schlaraffenland!

  • #2

    Jana auf TypoWalz (Freitag, 04 September 2020 11:40)

    Liebe Sandra,
    wie recht du hast!
    Vielen Dank und ☞ Gott grüß die Kunst