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Fleurone und andere Figuren

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Der lange Weg

vom Rohling zum Buchstaben

Übung macht ... ein neues Et

Wir schaffen es nicht, aus all meinen Schablonen Lettern zu fräsen, aber ein paar schon. Gestern haben wir mit einem anderen Fräskopf ein weiteres »Et« begonnen, welches heute als erstes fertig werden wird. Der neue Fräskopf hat keine Fase und verändert daher nicht die Stärke meiner Letter. Ich bemühe mich, ruhig und kontinuierlich die Konturen zu umfahren und auch dieser Fräser hat eine eigene Meinung, aber am Ende ist das »Et« ganz gut gelungen, finde ich. Jetzt habe ich zwei Versionen des Druckbuchstabens.


Alles nach Plan und auf Planheit

Die richtige Reihenfolge der Arbeitsschritte ist wichtig einzuhalten, um präzise Holzbuchstaben herzustellen. »Fräse erst, wenn das Holz Schrifthöhe hat!« erklärt Michael und zeigt Hans und mir, wie aus einer viele Jahre getrockneten Holzscheibe ein Rohling wird. Dieser wird an der Typografischen Säge zugeschnitten und die künftige Druckfläche am Schleifteller so lange plangeschliffen, dass zwischen dem Holz und dem Haarlineal keine Lücke mehr sichtbar ist.


Die exakte Schrifthöhe

Der plangeschliffene Buchstabenrohling wird kopfüber mit dem Schrifthöhenmesser geprüft und anschließend von Michael an der nächsten Präzisionsmaschine, einem Schrifthöhenfräser namens »Polytype«, in Hundertstelmillimeterschritten Stück für Stück mit rotierenden Bewegungen auf das richtige Maß von 23,567 mm gebracht, die 62 2/3 Punkt entspricht. Hans und ich staunen, wie viele Maschinen für diese Arbeit von Nöten sind.


Die Schablonen aufschrauben und los gehts

Die nächste Schablone ist bereits spiegelverkehrt aufgeschraubt und diesmal will ich verhindern, dass mir der Taster wieder abrutscht. Langsam umfahre ich den Rohling und komme immer dichter an die Schablonenkante. Erste Rundungen zeigen sich und langsam auch der beginnende Tropfen am Kopf des »g«. Aber es sieht wieder anders aus als meine Vorlage! Michael erklärt, dass diesmal der Schraubstock auf dem Tisch, dem Schuh, gewandert ist. Oh je.


Typografische Schatzkisten

Während ich Holzbuchstaben fräse, zeigt Michael Hans weitere Schätze in der Werkstatt. Es gibt Regale voll mit Schablonen bekannter Schriften, wie Bernhard-Antiqua, Genzsch-Antiqua,  Herold oder auch eine ganze Kiste kleinerer Schablonen für die Garamond. Diese sind noch Originale aus dem Nachlass eines Schriftenschneiders – auch ein Beruf, den es längst nicht mehr gibt. Aus diesen Schablonen hat Michael bereits vor längerer Zeit Buchstaben auf Größe von nur 5 Cicero gefräst.


Handarbeit, die perfekt sitzen muss

Bei meiner nächsten Figur, dem »Fleuron«, einem weiteren »Aldusblatt«, hilft Michael mir wieder, da die floralen Verzierungen recht dünne Konturen haben und erst einmal ein passender Fräser gefunden werden muss. Nach dem Fräsen schneidet Michael mit ruhiger Hand fachkundig die Ecken mit einem Holzmesser aus. Dies braucht viele Jahre Übung und Erfahrung, denn jeder Schnitt muss sitzen, sonst ist die ganze Arbeit umsonst.


Das Qualitätssiegel

All meine Lettern werden anschließend in den Längs- und Breitseiten auf typografisches Maß gesägt und erhalten die sogenannte Signatur, eine Fräsrille am Fußende, damit man beim Setzen weiß, wo die Unterkante des Buchstabens ist. Außerdem versiegelt Michael die Druckfläche mit Schellack, damit später keine Druckfarbe in das Holz ziehen kann. Am Ende erhalten meine Holzbuchstaben die Signatur des Meisters.


Ein großes Handwerk,

welches wieder gelehrt werden sollte

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Kommentare: 4
  • #1

    Caroline (Donnerstag, 03 September 2020 20:44)

    Liebe Jana,
    danke für Deine schönen Berichte!
    Bist Du gerade besser vernetzt? Habe eben mit Walter Fischer gesprochen, der sagte, Du seiest gerade mit Holzlettern zugange. Habe mir in letzter Zeit einen Wolf abgesucht, wo ich einen Ersatzriemen für unsere Letternfräse bekommen könnte. Die eine Firma, die Till auf der Rechnung hatte, ist seit einigen Jahren pleite. Also ich aufs Rad und nach Tonndorf getigert, Gummiriemen bei einer anderen Werkstatt geholt – nützte nichts, rutscht sofort wieder ab!
    Gestern im Museum Besuch von einem alten Setzer, der vorgestern bei Michael Linke war und Dich getroffen hat! Er sagte, vielleicht wisse Herr Linke einen Rat. Ich habe ihm die Spezifikation des Riemens mitgegeben, vielleicht findet er etwas oder kann was vorschlagen??
    Liebe Grüße
    Caroline

  • #2

    Mirko (Freitag, 04 September 2020 08:35)

    Jana,
    mega spannend. Mich fixt dieses Handwerk und seine Produkte an! Ich freue mich auf deine folgenden Erlebnisse.
    LG
    Mirko

  • #3

    Jana auf TypoWalz (Freitag, 04 September 2020 09:36)

    Lieber Caroline,
    es ist gut zu wissen, dass bei uns im Hamburger Museum der Arbeit die Holzletternfräse genutzt und gepflegt wird. Welch ein Einsatz von dir und wie nett, dass ihr untereinander euch austauscht sogar mit dem Setzer, dem ich dort begegnet bin. Da ich nicht weiß, ob du Michael inzwischen erreicht hast, werde ich gern einmal nachhaken.
    Ich melde mich und ☞ Gott grüß die Kunst

  • #4

    Jana auf TypoWalz (Freitag, 04 September 2020 09:50)

    Lieber Mirko,
    mehr kann ich nicht erreichen, als das ich für dieses Handwerk begeistern kann.
    Hab vielen Dank und ☞ Gott grüß die Kunst