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Das Ölbad und die schwimmende Druckerei

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Seetauglich

und mein kleiner Anteil

Durstige Hölzer

Die Produktion der Holzlettern wird mit einem abendlichen Bad in Leinöl abgeschlossen. Sie sollen sich richtig satt saugen, damit Druckfarbe oder Waschmittel später nicht in das Holz ziehen. Kaum ins Öl getunkt, zeigt sich der Durst der trockenen Hölzer. In Minutenschnelle haben sie sich vollgesogen. Es fällt auf, dass sich die versiegelte Oberfläche der Lettern nicht vollsaugt und dadurch deutlich abgegrenzt zu erkennen ist. Das in Langholz geschnittene »@« braucht am längsten, um sich vollzusaugen.


Holz braucht Zeit, viel Zeit

Eine intensive Woche neigt sich zu Ende und ich habe so viel gelernt. Ich weiß nun z.B., dass es mehr als 30 Jahre braucht, bis ein Birnbaum-Stamm, sofern nicht »drehwüchsig«, gefällt und anschließend weitere Jahre waagerecht gelagert wird. Kanadischer Ahorn, der viel dunkler ist als hiesiger, muss nach Fällung ebenfalls nochmal 5 bis 6 Jahre liegend trocknen. Auch Hans ist wie ich fasziniert über die Holzletternproduktion.


Die Reise geht noch weiter

Am Tag meiner Ankunft in Hoya schipperte zeitgleich Peter Vöge auf der Weser mit der »Gertrud« vorbei, seiner schwimmenden Druckerei, einem Klipperaak Plattbodenschiff aus dem Jahr 1910. Da er uns nicht gleich telefonisch erreicht hat, ist er weiter aufwärts nach Oldenburg gefahren. Heute werden wir ihn allesamt besuchen, Michael, Sylke, Hans und ich. Der »druckende« Frachtensegler könnte eine weitere Station meiner TypoWalz sein, daher bin ich besonders gespannt.


Eine schwimmende Druckerei

Wie groß und geräumig ein Plattbodenschiff ist, konnte ich mir nicht vorstellen und noch weniger, dass es möglich ist, eine komplette Druckerei mit bis zu 6 Arbeitsplätzen darin zu betreiben. Das Schiff ist seit 2011 der erfüllte Lebenstraum von Peter, der seitdem auf der Klipperaak Gertrud lebt und von Hafen zu Hafen in deutschen Gewässern umherziehend druckt. Peter ist »Schweizerdegen«, d.h. er ist sowohl gelernter Schriftsetzer als auch Buchdrucker und damit kundig in allen Bereichen.


Maschinen mit Seemeilen

Beeindruckt entdecken wir viele seetaugliche Druckmaschinen, die schon einige Meilen auf den Walzen haben. Auch hier finden sich besondere Plakatschriften und Holzschablonen, denn auch Peter teilt diese Letter-Leidenschaft. Buchstaben über Buchstaben, sogar an den Wänden und auf dem Boden finden sich Schriftschablonen und ich erfreue mich ihrer vielfältigen Formen und Figuren. Meine Achtung vor ihnen ist in den letzten Tagen erheblich gewachsen.


Drucken und Lernen

Peter ist schließlich, wie Michael und Hans, Pädagoge geworden. Ich erfahre von dem französischen Reformpädagogenpaar Célestin und Élise Freinet, die um 1920 mit neuen Methoden den schulischen Unterricht so gestalten wollten, dass Kinder spielerisch lernen, indem sie die Buchstaben beim Lesen und Schreiben haptisch erfassen und so im wahrsten Sinne begreifen. In der Praxis druckten Kinder mit Buchstaben, Farben und Pressen ihre eigenen Schulbücher. Daraus ist die Freinet-Pädagogik entstanden mit ihren »Schuldruckereien in den Diensten der Erziehung«.


Anker und Netzwerke

Mit einem gemeinsamen Essen an der Hafenpromenade endet nun endgültig diese intensive und vielfältige Station. Es gab so viel zu entdecken und noch immer habe ich das Gefühl, ganz am Anfang einer großen Geschichte zu stehen. Es  freut mich, wenn ich mit der TypoWalz Fachleute zusammenbringe und neue Kontakte geknüpft werden. Somit kann ich einen kleinen Teil dazu beitragen, dass dieses großartige Handwerk vernetzt und nicht vergessen wird.


Danke Michael

und »Gott grüß die Kunst«

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Kommentare: 6
  • #1

    Karl (Freitag, 04 September 2020 22:03)

    Liebe Jana,
    ich feue mich so sehr, daß du uns durch deine Berichte mitnimmst in eine aussergewöhnlich Druckwelt. auch Peter Vöge ist mir gut bekannt, war auch schon vor vielen Jahren bei uns auf dem Buchmachermarkt in Mosbach. So kommen immer wieder alte Freundschaften in Erinnerung. Danke ! Liebe Grüße Karl.

  • #2

    Wibke.bartkowiak@web.de (Samstag, 05 September 2020 23:30)

    Toll dass Peter mit seinem Schiff da war! Wir kennen uns schon so lange! Deine Berichte sind prima und sehr informativ! Danke und liebe Grüße an alle, wibje

  • #3

    Jana auf TypoWalz (Montag, 07 September 2020 09:43)

    Lieber Karl,
    es ist schön eine so gute Begleitung zu haben und ihr euch alle untereinander kennt. Sehr gerne wecke ich all eure alten Erinnerungen. Hab Dank und ☞ Gott grüß die Kunst

  • #4

    Jana auf TypoWalz (Montag, 07 September 2020 09:45)

    Lieber Wibke,
    durch dich habe ich schon von vielen erfahren, deine Grüße ausgerichtet und Grüße für dich mitgebracht. Es ist wie eine große Familie. Hab Dank und ☞ Gott grüß die Kunst

  • #5

    Edith Rohde (Sonntag, 13 September 2020 19:26)

    Liebe Jana, es ist eine große Freude was du noch so machst, zwei Männer so habe ich es verstanden, die mit großer Freude ihren Beruf ausüben und du darfst daran teilnehmen und man lernt auch immer noch dazu.....
    Du strahlst mit Gerda so viel Harmonie aus, für mich eine Freude euch zu kennen.
    Sicher bis Mittwoch, herzlich eure Edith.

  • #6

    Jana auf TypoWalz (Montag, 14 September 2020 17:56)

    Liebe Edith,
    wie schön, dass du ebenfalls Freude an meiner TypoWalz hast und mich auf dieser begleitest. Ja, es gibt viel zu erleben und zu lernen. Bis ganz bald.
    Hab Dank und ☞ Gott grüß die Kunst