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Geisterdrucke

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Geisterdrucke

und taube Fingerkuppen

Los geht's

Freudig mache ich mich auf den Weg in die Spielkartenfabrik, denn heute soll gedruckt werden und ich bin sehr neugierig, wie die Karten wohl aussehen werden.

Es ist immer ein spannender Moment, wenn der Druck sich auf dem Papier das erste Mal zeigt. Die Druckform ist geschlossen und Christian »druckt« erst einmal ohne Farbe, um damit die Druckhöhe für das verwendete Papier besser einzustellen. Ist auf dem Papier ein Abdruck zu sehen, dann ist der Druck zu stark. Wenn der Druck viel zu stark ist und auch das Tauenpapier auf der Walze ebenfalls eingedrückt wird wie bei einer Prägung, können bei verschiedenen Abzügen mit Farbe sogenannte »Geisterdrucke« entstehen. Diese sehen ein bisschen aus wie Doppelbelichtungen in der Fotografie.


Der Andruck und Korrekturabzug

Die Druckhöhe ist eingestellt und der erste Abzug wird mit roter Farbe gemacht. Jetzt wird Korrektur gelesen und geprüft, ob Buchstaben ausgetauscht werden müssen, wenn sie zu abgenutzt oder beschädigt sind. Das gleichzeitige Drucken von Holz- und Bleibuchstaben ist immer eine Herausforderung, weil diese meist nicht exakt die gleiche Schrifthöhe haben. Daher werde ich nun die entsprechenden Buchstaben Schicht für Schicht mit dünnem Papier unterlegen, bis die gewünschte Höhe erreicht ist. Die kleinen Bleibuchstaben tausche ich komplett aus, und in der »acht« muss noch ein Schreibfehler berichtigt werden.


Mr. Beam

Es keimt die Idee, dass die Spielfarben nicht klassisch, sondern aus typografischen Elementen sein sollen. Dazu werden die Formen Quadrat, Kreis, Dreieck und Kreuz digital im Maßstab gezeichnet und anschließend mit dem Lasercutter »Mr. Beam« 1 : 1 geschnitten. Der Lasercutter sieht sehr futuristisch aus und brennt in eine Linolplatte die vorbereiteten Formen eine nach der anderen, bis alle Elemente fertig sind.


Neue Ideen können auch viel Arbeit machen

Nun ist Handarbeit angesagt und Fleiß, denn bei 32 Spielkarten braucht man 64 Elemente, wenn man zwei Spielfarben auf jeder Karte haben möchte. Also beginne ich, mit Linolmessern Stück für Stück die Flächen um die gewünschten Formen freizuschneiden. Es braucht viel Übung und scharfe Messer mit unterschiedlichen Klingen, um die Idee tatsächlich umzusetzen. Nach zwei Zeilen Dreiecke beginne ich bereits zu zweifeln, ob das nicht zu zeitaufwändig ist, aber ich bemühe mich weiter im Linolschnitt.


Wenn Geister unterwegs sind

Nach einer gefühlten Ewigkeit und tauben Fingerkuppen habe ich es endlich geschafft, bin aber nicht sicher, ob die weggeschnittenen Flächen tief genug sind. Wir werden es versuchen, meint Christian, und schneidet alle Elemente im Stück aus der Linolplatte aus. Diese wird nun Schicht für Schicht mit Klischeefolie beklebt und auf Schrifthöhe gebracht. Die ersten 16 Elemente sind fertig und Christian schmeißt die Farbwalzen an. Das Ergebnis ist wie befürchtet, ich habe viel zu viel Flächen um die Elemente stehen lassen.

Interessanterweise zeigen sich auf den neuen Flächen Geisterdrucke, die das ursprüngliche Kreuz zeigen.


Kein leichtes Spiel

Aber es nützt nichts, die Flächen müssen noch weggeschnitten werden, damit die Spielkarten vernünftig aussehen. Das ist viel Arbeit und leider kein leichtes Spiel. Christian und ich können die Formen nun nicht mehr einzeln bearbeiten, sondern belassen sie in der Druckform und beschneiden die Ränder gemeinsam. Ein neuer Druck zeigt zwar ein besseres, aber leider noch immer kein gutes Ergebnis, daher werden wir weiter beschneiden, bis wir mit den Karo-Elementen zufrieden sind.


Wie schön,

dass heute erst Mittwoch ist.

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Kommentare: 3
  • #1

    Margarete Goth (Donnerstag, 23 Juli 2020 00:33)

    Liebe Jana, schön, dass Du wieder unterwegs bist und ich so viel Neues erfahre. Heute war ja wirklich Geduld und Fingerkuppeneinsatz gefragt. Freue mich schon, das Endergebnis zu sehen. Wegen Corona ist meine Druckerpresse viele Monate lahmgelegt gewesen, weil ich sie festgesetzt habe, weil zu wenig geschmiert. Eine meiner Schwestern ist Automechanikerin und hat sie mir im Nu wieder losgeeist, geschmiert und das neue Leder auf die Walze gezogen. Vorgestern hat mein Enkel Theodor( 5 Jahre alt) seinen Namen geschrieben, geduldig die Füllungen eingelegt, Farbe ausgewalzt, Buchstaben eingefärbt und alleine die schwere Kurbel gedreht. Sein Urgroßvater, mein Vater, wäre mächtig stolz gewesen und hätte sich wie ich riesig gefreut. Im Anschluss daran hart er noch Fische in Monotypie gemacht, weil noch Farbe da war. Ich hoffe, dass wir noch viel.miteinander drucken und vor allem experimentieren können. Viel Geduld und Erfolg morgen. Grüß die Kunst.
    Margarete Von der schwäbischen Alb

  • #2

    Jana auf TypoWalz (Donnerstag, 23 Juli 2020 09:26)

    Liebe Margarethe,
    es freut, wenn ich mit meinem Lernen und davon berichten Wissen schon weitergeben kann. Dann bin ich auf dem richtigen Weg, denn es geht um den Erhalt des Handwerks.
    Das Drucken ist bei euch ja seit Generationen in der Familie und wird damit ebenfalls erhalten. Das ist schön. Weiter so.
    Vielen Dank und ☞ Gott grüß die Kunst

  • #3

    Erich (Donnerstag, 23 Juli 2020 16:43)

    Hallo Jana; ich kann nachvollziehen wie befreiend es für Dich ist, wieder "auf Tour" zu gehen. Ich werde heute abend mal gemütlich Deinen Bericht studieren und die Fotos beäugen; jetzt ist "Garten(arbeits)wetter"!
    Im Museum ist noch nicht viel los - aber immerhin: ich hatte am Wochenende nur jeweils zwei Besucher. Und Montag waren es zu meiner Vorführung immerhin sechs. - Aber keine Langeweile: habe eine schöne Satzanfertigung für Anne und Cornelia Manikowsky. Wünsche Dir viel Freude bei Deiner Arbeit.
    Gott grüß die Kunst - Erich