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Von Wein, vergänglichen Klischees und anderen Überraschungen

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Spannende Einblicke

Kirchglocken und überall Wein

Ankunft in der Buchdruckerei

Morgendliches Läuten einer nahen Kirche hat mich aus dem Schlaf geholt und zurück in die kleine pittoreske Altstadt von Volkach gebracht. Meine Unterkunft heißt »Turmdieb« und liegt direkt neben dem einen der beiden alten Türme, die die Tore zur Altstadt bilden. Volkach liegt an der Mainschleife und ist nicht nur laut Touristeninformation, sondern offenkundig eine beliebte Wein-Stadt, wie ich gestern beim Erkunden der Umgebung schnell feststellen konnte. Auf dem Weg in die Druckwerkstatt zu Conny Hügelschäffer strahlt die Sonne durch die vielen an Zäunen und Hauswänden reifen Früchte der Weinreben und erzählt mir, in welcher Region ich mich befinde.

Pünktlich treffe ich in der Buchdruckerei ein, mir öffnet sich eine sonnendurchflutete Werkstatt und Conny strahlt, als er mich sieht. Welch ein Willkommen. Wir stellen uns nun endlich persönlich vor und anschließend führt er mich durch sein Druckreich. Es gibt eine Setzerei mit zwei Gassen, Schriftschränke verschiedenster Art, Setzkästen in unterschiedlichen Größen und Breiten und viele Arbeiten zu sehen. Neben den Bänken und Tischen für Sitzungen oder Workshops, geht es weiter in den Drucksaal mit diversen Druckmaschinen. Ich bin begeistert, da ich weiß, dass ich hier bei einem Meister bin, der sein Handwerk versteht und leidenschaftlich ausübt. Ich werde also weiterhin viel lernen.


Werkstatteroberung

Während Conny einen Siebdrucker vom Bahnhof abholt, der aus Berlin zum Lernen anreist, mache ich mich auf und lerne die Buchdruckwerkstatt kennen. Ich darf alles ansehen, jede Schublade öffnen und entdecken. Es ist ein Abenteuer.

 

Ich entdecke eine historische Ausgabe vom »Struwwelpeter« und gleich daneben »Wie entwerfe ich Akzidenzen«, beide Bücher will ich noch in Ruhe ansehen. In der linken Gasse finde ich fertige Satzformen mit Korrekturabzügen und ich sehe auch ›meine Satzformen‹, die ich bei Willi Beck in Dachau für das Vereinsfaltblatt gesetzt habe. Ein gutes Gefühl.

 

In einem Metallschrank entdecke ich zeilenweise Maschinensatz, lese »Fönwellbürste« und »Nagelknipser« und schmunzle. Mir begegnen »Diplome«, winzige Steckschriften, eine Weinschrift, kunstvolle Weinetiketten, hampelnde Osterhasen und sogar Weihnachtsmänner.

 

Es ist Zeit für einen Tee.


Puderzucker?

Dann öffne ich Steckschriftkästen und entdecke ausgebundene Satzformen verschiedener Art und Größe, aber auch – wie soll ich sagen, Puderzucker? Dieses weiße Pulver finde ich in recht vielen Satzformen und bin erstaunt darüber. Conny erklärt mir später, dass es sich hierbei um Klischees aus Aluminium handelt, die sich altersbedingt wieder zersetzen.

Wie ich erfahre, gibt es auch Arten Klischees aus anderem Material herzustellen und ich entdecke zum Beispiel alte Holzschnitte, die so fein sind, dass erst durch den Fadenzähler das handwerkliche Geschick des Holzschneiders zu erkennen ist und bin voller Bewunderung. Conny zeigt mir Beispiele für ›Originale‹ und ›Matern‹ sowie ›Stereos‹, Linolschnitte, Auswaschdruckplatten und Blei-Klischees mit Kupferniederschlägen. Ich staune über die verschiedenen Materialien und deren reichen Möglichkeiten.

Neben den Originalen werden auch Abformungen erstellt, also Duplikate, um einerseits das Original unversehrt zu lassen und anderseits, um Mengen drucken zu können. Die Originale wurden oftmals mit Schutzlack überzogen, den man entweder wie eine Folie wieder abziehen oder mit einem eigens dafür gedachten Glaspinsel und Lösungsmittel wieder entfernen konnte. Am Beispiel des vorhin entdeckten Weihnachtsmanns zeigt mir Conny, den Schutzlack, der wie eine Folie abziehbar ist.

Überraschung

Zu meiner Überraschung kommt in der Mittagspause Hans Dubronner aus Bruchsal angereist und wird in dieser Woche ebenfalls bei Conny in der Werkstatt sein.


Ein gehaltvoller Tag

Morgen wird die Woche geplant

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Kommentare: 8
  • #1

    Helmut (Dienstag, 15 Oktober 2019 11:38)

    Hallo Jana,
    das ist ja eine tolle Werkstatt mit schönen historischen Druckstöcken. Interessant wäre, welche Schriften die Jungs gerettet haben.
    Zum Weihnachtsmann: bei der "blauen Schutzfolie" wird es sich wohl um eine Patritze für eine Blindprägung handeln. Frag mal den Meister.
    Und falls Du etwas Zeit hast: besuche "Maria im Weingarten". Dich erwartet eine wunderschöne Arbeit von Tilmann Riemenschneider. Haben wir schon vor 39 Jahren bestaunt.
    Weiterhin viel Spaß wünscht Helmut

  • #2

    Martina Tadli (Dienstag, 15 Oktober 2019 23:00)

    Wann immer ich Zeit finde, lese ich mit großer Freude deinen Typowalz-Bericht, Jana. Wie schön, dass du all diese Künstler besuchst und von ihnen lernst. Es ist richtig spannend und schön beschrieben. Danke, dass du uns an deinem Abenteuer In die Welt des Drucks teilhaben lässt.
    Mit herzlichen Grüßen
    Martina

  • #3

    Gert Laufenberg (Mittwoch, 16 Oktober 2019 10:27)

    Hallo Jana,
    diesen Effekt des Zerfalls habe ich auch schon beobachtet.
    Bei Alu- oder Zinkklischees.
    (Oder auch bei alten Modell-Autos aus Zink).
    Aber auch bei Bleischriften, die Feuchtigkeit oder Umweltbelastungen ausgesetzt waren.
    Bei großen Schriftgraden hilft im Anfangsstadium der Zersetzung eine Behandlung mit Petroleum oder auch Walzenwaschmittel.
    Kleine Schriftgrade sind meistens schon zerstört, wenn man den Schaden entdeckt.
    Ich wünsche Dir noch viele lehrreiche und schöne Tage und den (Puder)zucker nur in den Kaffeebecher.
    Viele Grüße aus dem Museum der Arbeit von Gert.

  • #4

    Achim (Mittwoch, 16 Oktober 2019 22:45)

    Halihallo liebe Jana, danke für Deine tollen Berichte . . . macht wie immer Spaß ob in Hamburg oder im Urlaub Dein Abenteuer zu lesen . . . und ganz ehrlich: Du bist richtig klasse, so genug geschmalzt. Wir sehen uns ja bald in der Ludolfstrasse und die Freude ist groß!!!!!

  • #5

    Jana auf TypoWalz (Montag, 21 Oktober 2019 15:16)

    Hallo Helmut,
    ja, es ist eine wirklich schöne Werkstatt, die viele Möglichkeiten bietet. Da Conny Druckmeister und kein Schriftsetzer ist, liegt der Schwerpunkt hierbei nicht bei den Schriften.
    Die blaue Schutzfolie ist tatsächlich ein mit einem Pinsel aufgetragener Schutzlack, der zur Folie aushärtet und nicht geeignet ist als Patrize für Blindprägungen. Zu den Patrizen kannst du am Tag 18 noch etwas lesen.
    Vielen Dank und
    ☞ Gott grüß die Kunst

  • #6

    Jana Madle-Elmerhaus (Montag, 21 Oktober 2019 15:19)

    Liebe Martina,
    mehr kann ich nicht erreichen, als Menschen von diesem Handwerk zu begeistern ohne, dass diese aus der Branche kommen. Ich nehme dich sehr gern mit auf mein Abenteuer und erzähle dir weiter.
    Alles Liebe und
    ☞ Gott grüß die Kunst

  • #7

    Jana auf TypoWalz (Montag, 21 Oktober 2019 15:22)

    Hallo Gert,
    für mich war dieser Zerfall unerwartet und hat erschreckt. Wenn du schreibst, dass es sogar Bleischriften betrifft, ist es umso wichtiger, dass diese sorgsam behandelt werden. Den Tipp mit dem Petroleum oder auch Walzenwaschmittel gebe ich gern weiter.
    Hab Dank und
    ☞ Gott grüß die Kunst

  • #8

    Jana auf TypoWalz (Montag, 21 Oktober 2019 15:24)

    Lieber Achim,
    bei dir in der kleinen Letternpresse fing alles an, daher freue ich mich umso mehr, dass ich dir mit meinem TypoWalz-Blog auch Freude machen kann. Wir sehen uns auf jeden Fall.
    Alles Liebe
    ☞ Gott grüß die Kunst