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Der 50. Tag

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Historischer Buchdruck

zum Anfassen

Drucken mit Kolumnenschnur

Heute ist der 50. Tag meiner typografischen Reise und ich kann bereits auf viele Erlebnisse zurückblicken. Auf jeder Station gibt es Neues zu erleben und individuelle Handgriffe wie auch regionale Bezeichnungen für Werkzeuge oder auch Arbeitsabläufe zu lernen.

Statt mit Stegen werden hier die Formen auf der Abziehpresse mit Klischeeunterlagen geschlossen. Das hat den Vorteil, dass die Kolumnenschnur nicht entfernt werden muss, sondern genau in die Aussparung der Klischeeunterlagen passt und nicht im Weg ist, ideal für ein schnelles Abziehen ausgebundener Satzformen.


Im Rhythmus der Greifer

Meine weiteren mikrotypografischen Korrekturen – hier noch 1 Punkt raus, da 1,5 Punkt wieder rein – sind gemacht und bei beiden Schriftschnitten wurde der Zeilenabstand weiter verringert. Dann folgt ein neuer Korrekturabzug an der Abziehpresse. Da die FAG elektrisch per Knopfdruck bedient und nicht mit der Hand gekurbelt wird, muss ich in ihrem vorgegebenen Rhythmus den Moment abpassen, an dem die mechanischen Greifer sich öffnen und ich das frisch bedruckte Papier von der Walze nehmen kann. Verpasse ich diesen, wird das Papier wieder eingezogen.

Mit etwas Übung gelingt es mir. Ich lerne.


Die Schlusszeilen

Zum Abschluss möchte ich auf meinen Schriftproben noch Schriftnamen, Größe sowie den Hersteller, die Typoart, angeben. Mit einem Ablegebänkchen, das hier »Vögelchen« genannt wird, gehe ich ins Nebengebäude, um mir die Lettern für die Unterzeilen zusammenzusuchen, muss aber feststellen, dass von der 14 Punkt Garamond nicht genügend kleine »a« vorhanden sind und weiche daher auf die »Leipziger Antiqua« in gleichem Grad aus.


Der Meister und das Kollegium

Dann ist es soweit, die Zeilen stehen und zusätzlich habe ich jeweils eine Linie eingefügt. Die beiden Schriftproben zeigen sich nach der mehrfachen Optimierung immer ausgeglichener und auch Eckehart ist zufrieden. Man könnte sicherlich immer weiter schleifen, aber es soll heute fertig werden. Und außerdem wünsche ich mir noch ein gemeinsames Foto mit allen Setzerinnen und dem Kollegen Max, dem Schriftgießer an der Monotype. Die restlichen Kolleg*innen haben bereits Feierabend.


Zum Schluss wieder ein Ausflug in die Geschichte

Am Ende dieser vollen und lehrreichen Woche ist nun noch etwas Zeit für eine Einführung in die Welt der Setzmaschinen, die im Zuge der Industrialisierung entstanden sind, um noch schneller und effizienter drucken zu können. Die ersten Maschinen gab es schon Anfang des 19. Jahrhunderts. Später folgten die Linotype-Setzmaschine sowie die Monotype. Eckehart erklärt mir seine Monotype-Gussmaschinen und die dazugehörigen Taster im Vorraum. Das sind mechanische Tastaturen, deren Eingaben auf einem Lochstreifen gespeichert werden. Diese Lochstreifen werden in die Gussmaschine eingegeben, die dann einzelne Bleilettern gießt, welche Zeile für Zeile gereiht die Maschine verlassen.

Eckehart zeigt mir Matrizen, erklärt die Verlegepläne und Nutzung der Einheiten. Ich sehe Taster, Lochstreifen und Matrizenrahmen, Großkegel, Gießformen und Einspritzer. Mir raucht der Kopf, es ist Feierabend und ich kann nicht mehr aufnehmen.


Dank an die Offizin Haag-Drugulin

und »Gott grüß die Kunst«

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Kommentare: 6
  • #1

    Gert Laufenberg (Samstag, 10 Oktober 2020 08:38)

    Moin Jana,
    hoffentlich hast Du die Unterzeilen auf dem Schriftmusterblatt noch gegeneinander
    getauscht.
    Gefällt mir sonst sehr gut.

  • #2

    Christa Schwarztrauber (Sonntag, 11 Oktober 2020 17:05)

    Liebe Jana,
    50 Tage auf der Walz - das ist ein schönes Jubiläum. Herzlichen Glückwunsch!
    Deine wunderbaren detaillierten Berichte geben Einblick in alles was Du schon gelernt hast und am Ende wird es ein "Fachbuch für SchriftsetzerInnen" sein. Es ist immer wieder interessant zu lesen, wie manche Dinge in den verschieden Betrieben gehandhabt werden. Man lernt nie aus!
    Es freut mich sehr, dass durch Dich und all denen, die sich auch auf der Walz befinden das Interesse an diesem fast ausgestorbenen Beruf wieder wachgerüttelt wird.
    Gott grüß die Kunst!
    Christa vom Fliegenkopf

  • #3

    Iris Köhler (Montag, 12 Oktober 2020 08:34)

    Moin, liebe Jana, bei uns heißen die Teile, auf die man derweil die Bleibuchstaben abstellt, „Vorteil-Schiff“ und/oder „Ablege-Treppe“. Wir haben in der Werkstatt Handsatz in der HGB Leipzig ganz viele davon und in diversen Größen.

    Übrigends, ich lese mit wachsender Begeisterung Deine Berichte ... ich übe seit 47 Jahren meinem Beruf aus und LIEBE ihn sehr. (Das Verrückte ist, dass ich nur durch Zufall diesen Beruf erlernt habe.)

    Dir nen angenehmen Montag. Gruß Iris aus Leipzig

  • #4

    Jana auf TypoWalz (Mittwoch, 14 Oktober 2020 17:29)

    Lieber Gert,
    wie schön, dass dir das Schriftmusterblatt gefällt. Leider habe ich die vertauschten Unterzeilen nicht mehr gesehen. Nun ist es, wie es ist.
    Vielen Dank für guten Blick und ☞ Gott grüß die Kunst

  • #5

    Jana auf TypoWalz (Mittwoch, 14 Oktober 2020 17:32)

    Liebe Christa,
    vielen Dank für deine lieben Glückwünsche und Lob. Ich freue mich immer, wenn meine Berichte gern gelesen werden. Diese vielen verschiedenen Eindrücke und Arbeitsabläufe machen diese Reise wirklich interessant. Hinzu kommen auch noch die vielen sprachlichen Dialekte und Benennungen.
    Daher mache ich so gern weiter. Danke und ☞ Gott grüß die Kunst

  • #6

    Jana auf TypoWalz (Mittwoch, 14 Oktober 2020 17:34)

    Liebe Iris,
    wieder neue Vokabeln, wie spannend das zu lesen und wie schön, dass du immer noch so gern als Schriftsetzerin arbeitest. Weiter so und ☞ Gott grüß die Kunst