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Lebendige Schriftgeschichte

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Zeugen

aus alten und neuen Tagen

Zeichen und ihre Zeiten

Auf einem Buchrücken entdecke ich ein Firmenzeichen, welches dem der Offizin Haag-Drugulin (OHD) ähnelt. Es ist die Bildmarke der »Offizin Andersen Nexö« (OAN). Die OHD, deren Unternehmensgeschichte bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts zurückgeht, war eine der bedeutendsten Druckereien in Leipzig, dem damaligen Zentrum der Schwarzen Kunst, und unterhielt bereits vor dem Ersten Weltkrieg dank ihres unerschöpflichen Schriftenfundus enge Beziehungen zu den damals wichtigsten Verlagshäusern ... weiterlesen


Zunft oder Segen

Neben den Anfangsbuchstaben der Eigentümernamen ist in beiden Marken die Ziffer 4 zu erkennen, die mich an das Zunftzeichen der Steinmetzer erinnert. Was es genau damit auf sich hat, kann mir auch Eckehart nicht erklären. Wie es scheint, könnte es der Linienführung des pastoralen Segens entsprechen und damit »(…) als ein einen Kreuzsegen gebendes Symbol betrachtet werden, sofern es als Hausmarke, Eigentumszeichen, Wappen, Siegel usw. zu sehen ist.« Thüringer Monatsblätter, Heft 12, 1939


Französische Signatur

Mittlerweile habe ich die ersten Zeilen für die Schriftprobe der Garamond in 16 Punkt gesetzt und ich bin bereits an der letzten Zeile, als Eckehart meint, es wäre sinnvoller, die 20 Punkt zu verwenden, um daraus dann eine Schriftprobe in der Anmutung der vorhandenen DIN Lang Blätter der hauseigenen »Typothek« abzuziehen. Dazu prüfen wir, ob es die französische Garamond 20 Punkt im Hause gibt, werden fündig und ich staune, dass sich die Signatur dieser Lettern nicht wie üblich auf der Ober- sondern auf der Unterseite befindet. Diese ist beim Setzen dann gar nicht sichtbar.


Handschrift in Perfektion

Susanne zeigt mir eine Schriftprobe ganz anderer Art. Es ist ein handgeschriebener Text von Gudrun Zapf-von Hesse, der international angesehenen deutschen Typografin und Buchbinderin und außerdem die Frau des bekannten Fachkollegen Hermann Zapf.

Derselbe Text, gedruckt mit der »Diotima kursiv«, die die Stempel-AG 1954 gemäß ihrer Vorlage in Blei gegossenen hat, verdeutlicht die Exaktheit ihrer Handschrift als kalligrafische Kunst.


Typografische Feinheit

Unüberhörbar rattert eine Etage über uns die Monotype und gießt neue Buchstaben für einen Kundenauftrag. Das muss ich mir auch noch alles genau ansehen und kennenlernen. Die frisch gegossenen Bleibuchstaben strahlen voller Glanz und freuen sich auf ihre erste Verwendung. Ria macht einen Probeabzug und liest diesen Korrektur. Der Verleger dieser Arbeit wünscht einen optischen Randausgleich, eine typografische Feinheit, bei der An- und Ausführungs- sowie manche Satzzeichen außerhalb des Textfeldes gesetzt werden, um einen ruhigen Rand entstehen zu lassen.


Eine Fülle an Figuren

Meine 16 Punkt Garamond für die Schriftprobe habe ich inzwischen wieder abgelegt und gehe mit Ria in das Nebengebäude, um die 20 Punkt Garamond der DDR-Schriftgießerei »Typoart« zu holen, die hier vorliegt. Auf mein »Vögelchen«, wie die Ablegebänkchen hier genannt werden, lege ich von allen Buchstaben, Satzzeichen, Ziffern, Ligaturen und Verzierungen der »mager« und »mager kursiv« jeweils ein Exemplar ab. Bei der großen Vielfalt an Figuren freue mich jetzt schon auf das Setzen des Schriftmusters.


Früher bis heute

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Kommentare: 3
  • #1

    Gert Laufenberg (Mittwoch, 07 Oktober 2020 08:42)

    Hallo Jana,
    die Signatur an der Kopfseite der Letter ist mir bei Schrift aus Frankreich und Belgien bekannt.
    Im Museum der Arbeit haben wir im Bereich der Museums-Pädagogik
    auch so eine Schrift.
    Das stiftet bei den Workshops oft Verwirrung.

    Noch viel Spaß bei der Arbeit wünscht Gert

  • #2

    Gert Laufenberg (Mittwoch, 07 Oktober 2020 09:41)

    Der optische Randausgleich ist schon bei Gutenberg zu bewundern.
    Ist mir in meiner Bleisatz-Zeit aber eher selten begegnet.
    Später am MAC ist das dann sehr gut lösbar.

  • #3

    Jana auf TypoWalz (Mittwoch, 14 Oktober 2020 17:39)

    Lieber Gert,
    es ist ziemlich irritierend, die Signatur nicht sehen zu können, wenn man setzt. Möglicherweise wurde in Frankreich dies anders gehandhabt. Beizeiten werde ich mir gern mal unsere Schrift im Museum ansehen.

    Ja, und mit dem Randausgleich kann man so viele wunderbare Optimierungen vornehmen. Das ist in Blei etwas umfangreicher, aber auch digital mit etwas Arbeit verbunden, wenn es gut werden soll.
    Dir vielen Dank und ☞ Gott grüß die Kunst