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Porte-au-page und Widrigkeiten am letzten Tag

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Wenn es anders kommt

Auch das kann sehr lehrreich sein

Porte-au-page für den Probedruck der Walzformen

Wir haben für heute geplant von einigen ausgewählten 12 × 12 Cicero Satzformen einen Korrekturabzug zu machen. Dazu haben wir – wie damals üblich – für jede Form eine 1 Cicero größere »Porte-au-page« oder auch »Portepage« aus einem festen Karton erstellt und diese in Ablagereihenfolge aufeinander gestellt. In der Druckerei ist dies die Vorarbeit für den Drucker, der dann die vorsortierten Lagen schnell auf den Drucktisch bringen und in der Schließform festzurren kann. Das spart Arbeitszeit.

Auf dem Foto ist zu sehen, dass diese kleinen Formen mit recht langen Kolumnenschnüren versehen wurden. Dies ist nicht unbegründet, denn das stramme Ausbinden führt zu einer  hohen Stabilität, so dass diese Sätze einfach angehoben werden können, ohne dass das Material rausrutscht.
Wieder etwas gelernt und auch schon ganz gut hinbekommen.


Unerwartete Widrigkeiten

Für den Bogen haben wir uns aus Holzlettern noch eine Titelzeile überlegt, die ebenfalls auf dem Drucktisch platziert wird. Wir wollen nur einen Korrekturabzug machen. Daher bleiben die Druckformen ausgebunden, die Schnüre werden belassen, denn wir haben zwei Cicero als Zwischenschlag gewählt. Später, wenn die Formen als Plakat gedruckt werden sollen ist das natürlich nötig. Die Farbe ist auf dem Lithostein ausgerollt, die Walze »schmatzt«, also kann die Druckfarbe auf die Formen aufgebracht werden. Das Papier ist gewählt und in die Greifer gespannt, los geht’s, Hans dreht das Walzenrad und es passiert genau — gar nichts.

Die Walzen stoppen. Ich prüfe, ob der Drucktisch auf die richtige Schrifthöhe von 23,566 mm eingestellt ist und alles ist richtig. Das Papier ist nicht dicker als das vorherige, ich bin irritiert.

Ein neuer Versuch, wieder nichts, die Walze stoppt und ich habe Sorge, dass der ersten Zeile aus den Holzlettern etwas passiert.


Tatsächlich

Wir legen eine Letter der Holzschrift auf den Schrifthöhenmesser und stellen fest, dass dieser Schriftschnitt eine andere Höhe hat und daher nicht gemeinsam mit den Formen gedruckt werden kann. Das Versal »A« ist irreparabel beschädigt und wir brechen ab. Um die aufgetragene Farbe dennoch zu nutzen, machen wir einen Bürstenabzug, der bei diesen kleinteiligen und feinen Konturen leider nicht das gewünschte Ergebnis bringt.

Auch das ist lehrreich. Es ist, wie es ist und einen Eindruck der einzelnen Formsätze kann man trotzdem gewinnen. Meine Uhr sitzt zu tief, aber die Zeiger sind prima. Ich bin trotzdem zufrieden.


»Gib jeder Woche die Chance, die schönste deines Lebens zu werden«, wünscht Hans mir

 

Hans vollendet meinen Wanderbucheintrag und ich nehme den Auftrag, mein neu erlerntes Setzerwissen an nächste weiterzugeben sehr gern an. Es geht darum, dass dieses Handwerk nicht ausstirbt. Stolz nehme ich seinen Beitrag für mein Wanderbuch entgegen und fühle mich geehrt, dieser Aufgabe würdig zu sein.

 


Quadräteln und Milch trinken

Zum Abschluss dieser TypoWalz bei Hans Dubronner quadräteln wir noch einmal, Hans gewinnt diesmal, und wir trinken – wie früher üblich – Milch zur Vorbeugung gegen die mögliche Bleivergiftung.

Inzwischen sitze ich nach der Regionalbahn im Fernbus und resümiere. Ich habe viel »begriffen«, theoretisch und viel praktisch gelernt. Ich fühle mich reich beschenkt.


Danke Hans

und »Gott grüß die Kunst«

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Kommentare: 4
  • #1

    Helmut (Sonntag, 01 September 2019 18:26)

    ...eigentlich müsste "Quadräteln" "Gevierteln" heissen wegen der "Gevierte". Würde man man (frau) "Quadräteln" mit "Quadraten", würde dies wahrscheinlich erst nach dem 8. Bier funktionieren.
    Eine grössere Schriftgiesserei (der Name fällt mir momentan nicht ein, aber ich glaube Stempel) hat übrigens in den 60er Jahren ein kleines Werbeschenk in Form von 6 Messing-Gevierten in einer kleinen Box zum "Quadräteln" verteilt.

  • #2

    Sabine Müller (Sonntag, 01 September 2019 20:10)

    Ich bin gerade ganz berührt und gerührt ... Menschen, die bereit sind ihr Wissen zu teilen, Menschen, die wissensdurstig sind, Menschen, die voller Respekt, Herzlichkeit, Anerkennung und Wertschätzung miteinander umgehen ... das und noch viel mehr ist dir und den Menschen, denen du begegnest zutiefst zueignen, liebe Jana; das und noch viel mehr vermittelt deine Reise auf dem Weg der „alten“ Kunst des Druckens und des Beeindruckens.
    Vielen Dank dafür, dass du mich teilhaben lässt.

  • #3

    Jana Madle-Elmerhaus (Dienstag, 03 September 2019 12:36)

    Lieber Helmut, ich freue mich über jede deiner Erinnerungen aus deiner Zeit als Schriftsetzer und damit verbundenen Anekdoten. Vielen Dank dafür und
    ☞ Gott grüß die Kunst

  • #4

    Jana Madle-Elmerhaus (Dienstag, 03 September 2019 12:40)

    Liebe Sabine, ich bin ergriffen von deinen sehr persönlichen Worten und danke dir sehr dafür. Es ist ein großer Wunsch von mir Erinnerungen zu wecken und in die heutige Zeit zu holen. Das Handwerk des Schriftsetztes darf nicht in Vergessenheit geraten, nur weil es nicht mehr offiziell gelehrt wird. Und ich nehme dich sehr gern mit auf meine typografische Reise. Hab vielen Dank und
    ☞ Gott grüß die Kunst