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Ein Tag bei Erich Hirsch

Einblicke in die Monotype

Heute bei Erich im Museum der Arbeit in Hamburg

Der Maschinensetzer

Ich bin verabredet mit Erich Hirsch im Grafischen Gewerbe des Hamburger Museums der Arbeit, und er wird mich heute in die Welt des Schriftgießens an der Monotype einführen. Erich ist gelernter Schrift- und Monotype-Setzer. Als solcher hat er lange gearbeitet und ist ehrenamtlich noch immer gern dabei. Der Tag beginnt sonnig und als ich im Museum eintreffe, ist die Maschine startbereit und auch Erich strahlt. Diese Setzmaschine besteht eigentlich aus zwei Maschinen, die hier direkt nebeneinander stehen.


Tasten wie auf einer Schreibmaschine

Die zwei Tastaturen mit verschiedenen Farbeinteilungen muten wie eine große Schreibmaschine an. Sie bilden die Eingabeeinheit, den sogenannten Taster. Hier wird der Text eingetippt und über Druckluft als Code direkt auf eine Papierrolle gelocht. Jedes Zeichen, jeder Leerraum und auch das Zeilenende hat eine eigene Lochkombination auf dem Streifen, der die Texte in dieser Form speichert. Ein bewährtes Verfahren, welches schon seit dem 18. Jahrhundert genutzt wird.


Jede Figur hat ihren festen Platz

Für einen Schriftguss braucht es natürlich Matrizen. Anders als bei Einzelgussmaschinen gibt es an der Monotype gleich einen ganzen Rahmen von Matrizen einer jeden Schrift. Die einzelne Figur ist  hierbei mittig auf einem Geviert positioniert. An diesem Rahmen stehen oben und an der rechten Seite Buchstaben und Ziffern als Koordinaten-System. Anhand des Matrizenplans können die Buchstaben, Interpunktionen und Zwischenräume abgelesen werden sowie auf der linken Seite die individuelle Dickte, also die Breite der Zeichen, die in Einheiten gerechnet wird.


Schreiben in Einheiten

Bei dem Eingeben des Textes werden die jeweiligen Dickten der Lettern sowie die Wortzwischenräume in Einheiten automatisch summiert. Kurz vor Ende der Zeile ertönt ein Läuten und der Maschinensetzer kann ablesen, wie viele Einheiten noch übrig sind und diese entweder mit weiteren Lettern oder Leerraum füllt. Ist die Zeile fertig, werden rote Kommandotasten gedrückt, die die Ausgabe auslösen. Damit werden auf dem Lochstreifen zwei dickere Löcher gestanzt.

Erich tippt geübt den Text der Vorlage ab und nutzt die vielen Tasten. Die helle Farbe steht für die gemeinen Figuren, die grünen für die halbfetten und die schwarzen für die kursiven oder auch für Leerräume. An den roten Knöpfen werden die Kommandos getastet.


Datenspeicher aus Papier

Was für eine mechanische Komplexität, die Erich mir an der Monotype näher bringt! Sie ist nicht an einem Tag zu erfassen und noch weniger in dieser Zeit exakt zu beschreiben. Der Topf zum Erhitzen des Bleis ist seit heute Morgen eingeschaltet und der Inhalt bereits flüssig. Er ist eine Legierung aus 84 % Blei, 12 % Antimon und 4 % Zinn. 360 °C sind ideal für das Gießen der Lettern. Erich nimmt die Papierrolle des getasteten ersten Absatzes aus der Halterung und setzt sie an der Gussmaschine ein.


Noch immer im Einsatz

Mit Hilfe des Lochstreifens werden nun an der Gussmaschine die Koordinaten für die genaue Position des Matrizenrahmens abgelesen und das flüssige Blei gezielt in den gewünschten Buchstaben eingespritzt. Ist dieser fertig, wird die nächste Position bestimmt und der nächste Buchstabe gegossen, es folgt ein weiterer usw. bis zum Ende der Textzeile. Diese wird anschließend als fertig gegossene Einzelletter mitsamt der Wortzwischenräume in der vorher bestimmten Zeilenbreite ausgegeben. Es macht ehrfürchtig beim Erleben dieser umfassenden Mechanik, die 1897 vom amerikanischen Ingenieur Tolbert Lanston entwickelt wurde und bis heute voll funktionstüchtig ist. Während ich über die Haltbarkeit meines Smartphones nachdenke, startet Erich die Monotype. Sie antwortet lauthals und gibt die ersten Textzeilen in das Satzschiff.


Glanzvolle Worte

Bei der Schrift haben wir uns für die Garamond entschieden, da diese hier im Museum auch in gleichem Schriftgrad in den Setzkästen liegt. Sollte also ein Tippfehler entstanden sein, braucht es keinen neuen Guss, sondern kann von Hand korrigiert werden. Erich bindet mir die Zeilen aus für den Probeabzug zum Korrekturlesen. Die Buchstaben glänzen mir ganz frisch entgegen und ich freue mich, sie das erste Mal zu drucken.


Ein Stück Zeitungsgeschichte

Der Text wird ein Artikel für mein Zeitungsprojekt, daher sind es schmale Zeilen von 12 Cicero. Dieses Model der Monotype arbeitet nicht mehr hundertprozentig, so dass wir entschieden haben, den Durchschuss für den Zeilenabstand von Hand zu setzen. Dank Erichs Kompetenz, ist der Probeabzug fast fehlerfrei, so dass ich wenig Arbeit haben werde. Inzwischen hat er bereits den Text weiter getastet und gegossen, so dass der Zeitungsartikel nun fertig ist.
Ich freue mich sehr und habe viel Respekt vor dieser alten Technik.


Nachhaltigkeit seit Jahrhunderten

Danke Erich

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Kommentare: 6
  • #1

    Susanne Kauth (Mittwoch, 02 März 2022 07:15)

    So komplex! Beeindruckend.

  • #2

    Jana auf TypoWalz (Mittwoch, 02 März 2022 08:08)

    Wohl wahr und ich habe nur einen Bruchteil der Technik kennengelernt und beschrieben.

  • #3

    PeterGertrud (Mittwoch, 02 März 2022 10:01)

    Herzliche Grüße an Dich und Erich aus Berlin, wo ich zur Zeit mit dem Schiff liege. Ahoi

  • #4

    Jana auf TypoWalz (Mittwoch, 02 März 2022 10:08)

    Lieber Peter,
    hab vielen Dank und einen guten Liegeplatz deiner Gertrud in Berlin.
    ☞ Gott grüß die Kunst

  • #5

    Sandra Wendt (Mittwoch, 02 März 2022 10:48)

    Das ist ja abgefahren wie schnell er alles „eintippt“. Ich bin wirklich erstaunt wie komplex es ist, und das diese alten Maschinen so klasse funktionieren. Beeindruckend!!!!

  • #6

    Thomas Gravemaker (Mittwoch, 02 März 2022 11:42)

    Wunderschön ! Danke.