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Ein Tag bei Tita do Rêgo Silva

Die bunte Welt der Fabelwesen

Heute bei Tita in ihrem Atelier in der Koppel 66

Eintauchen in eine fantastische Welt

Heute führt mich mein Weg in das Atelier von Tita do Rêgo Silva in der »Koppel 66«, dem Haus für Kunst und Handwerk in Hamburg St. Georg. Die Künstlerin heißt mich in ihrer Werkstatt willkommen und ich tauche ein in eine fantastische Welt ihrer beeindruckenden Fabelwesen und Holzschnitte. Dort wandle ich zwischen freundlich hölzernen Riesen – tanzende Figuren halb Mensch, halb Tier – und bestaune papierne Insekten. Ich bewege mich in einer Fülle vielfältiger und farbenprächtiger Kunstwerke. 


Makulatur ist kein nutzlos gewordenes Papier

Es gibt so viel zu entdecken, endlos lange Klappbücher randvoller Wesen, ausgeschnittene fröhliche Fabelfiguren sowie recht kleine Aufsteller aus weiterverarbeiteter Makulatur. Papier ist ein kostbarer Rohstoff und wenn dieser bereits bedruckt oder mit einer Zeichnung versehen wurde, kann daraus wieder Neues entstehen. Was, ist jedes Mal ungewiss, aber mit Sicherheit voller Kreativität. Mir gefällt Titas Ansatz der Weiterverarbeitung. Ich bin entzückt von ihrer zauberhaften Welt.


Zeichnen, schneiden, stemmen

Titas Welt ist bunt und ihre Arbeiten stecken voll von erzählenden Geschichten. Überall ist etwas zu bestaunen und die erfahrene Holzschneiderin zeigt mir ihre aktuelle Arbeit. Ich erlebe, wie sie mit geübter flinker Hand aus einer Zeichnung nach und nach Formen für den Druck herausarbeitet. Sie schneidet und stemmt, um die Konturen oder Flächen freizulegen. Das Holz ist farbig, um besser erkennen zu können, was geschnitten ist und was nicht.


Holzschnitt in einer verlorenen Form

Bei mehrfarbigen Drucken wird üblicherweise für jede Farbe eine eigene Platte hergestellt. Das verbraucht viel Material und ist als Schnitt äußerst aufwendig. Tita erklärt die Technik der »verlorenen Form« als sparsame Eliminationsmethode. Hierbei wird eine Platte geschnitten und in einer Farbe gedruckt. Nach weiterer Bearbeitung derselben Platte wird die nächste Farbe gedruckt. Weiteres Reduzieren der Platte und Drucken ist möglich. So bleibt nur die letzte Form übrig, die voran geschnittenen gehen verloren.


H wie Holzschnitt

Nun werde ich mich selbst im Holzschnitt versuchen und erhalte eine kleine Tischlerplatte, ein weiches elastisches Holz, das gut zu bearbeiten ist. Durch die furnierte Oberfläche bleiben die Maserung und der Holzcharakter im Druck. Man kann auch MDF-Platten schneiden, die sich besser für feine Striche und Strukturen eignen, sich aber im Druckbild eher flächig wie Linolplatten verhalten. Ich spare mir aus Zeitgründen die Vorskizze, die ich  gespiegelt auf das Holz übertragen müsste und wähle für meinen Schnitt ein einfaches symmetrisches H.


Monotypie ist das Gegenteil von Monotonie

Während ich noch etwas ungeübt an meinem H schneide und die Messer ausprobiere, ist Tita bereits dabei, Vorlagen für die Monotypie herauszusuchen. Sie ist eine alte Technik in der Bildenden Kunst, bei der nicht direkt, sondern auf eingefärbten Zwischenträgern (z.B. Papier, Glas oder Metall) gezeichnet und diese anschließend mittels Handabreibung oder Pressen auf das Papier gedruckt werden. Damit wird heute ein Buch aus Makulatur veredelt und zu einem besonderen Unikat.


Abpausen, durchpausen, kopieren, übertragen

Ich fühle mich an meine Kindheit erinnert, in der wir kleine Bildchen gegen Fensterscheiben gedrückt abgepaust haben. Damals war es noch ein Nachmachen, heute erkenne ich die Individualität. Ein Text der Dichterin Mascha Kaléko, den Tita ausdruckt und das Papier rückseitig einfärbt, werde ich mittels weichen Bleistifts nachziehen und so kopieren. Das Nachzeichnen ist nicht genau, der Druck somit verschieden mit individueller Note.


Auf einen Tee mit Tita

Nach einer Teepause geht es weiter. Tita hat ihre typisch feinteilige Figur fertig übertragen und ich habe den gesamten Text nachgezeichnet. Die Zeichnung schmückt nun die eine Doppelseite des Buches und das Gedicht von Mascha Kaléko sitzt gut auf dem Doppelbogen – wir sind zufrieden.

Es wird Zeit, mein geschnittenes H anzudrucken und ich bin voller Neugier, wie die Holzstruktur sich zeigen wird.


Holz lebt und hat Struktur

Man könnte den Abzug per Hand machen, aber in der Werkstatt stehen zwei Andruckpressen, eine Korrex und eine Triumph, die wir wählen. Der Andruck zeigt sehr deutlich die Maserung des Holzes und ich bin angetan. Es ist kein Vergleich zu einem Linoldruck.

Ehe wir uns versehen, ist der reiche Tag schon zu Ende. Schade. Zum Glück ist die Werkstatt in dem Stadtteil, in dem ich lebe und ein Besuch lässt sich einfach wiederholen.



»Kunst tut gut« – ich bin ganz erfüllt

Danke Tita

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Kommentare: 4
  • #1

    Janning (Montag, 30 Oktober 2023 09:19)

    Hi Jana, das war wieder ein sehr netter Blick über deine Schulter - vielen Dank fürs "Mitnehmen" und herzliche Grüße, Janning Petersen

  • #2

    Karl Kretschmer (Dienstag, 31 Oktober 2023 23:18)

    Liebe Jana,
    Es ist immer wieder schön von deiner Typowalz zu lesen und die tollen Bilder. Im Holzschnitt kann man sich richtig austoben.
    Mach weiter so. LG aus Mosbach, Karl

  • #3

    Jana auf TypoWalz (Donnerstag, 02 November 2023 12:35)

    Lieber Janning,
    ich freue mich über deine lobenden und herzlichen Worte. Vielen Dank und
    ☞ Gott grüß die Kunst

  • #4

    Jana auf TypoWalz (Donnerstag, 02 November 2023 12:37)

    Lieber Karl,
    auch dir lieben Dank für deine Zeilen und wohlwollenden Worte. Auf mehr Holzschnitt freue ich mich schon. In diesem Sinne
    ☞ Gott grüß die Kunst