
Ein Leben für die Gebrauchsmalerei
Heute bei Josef Samuel im Schildermaler Museum Wien
Wiener Schriften
Bei meinem Aufenthalt in Wien sind mir die vielen historischen Fassaden- und Ladenbeschriftungen aufgefallen, die noch erhalten sind und von einer Zeit alter Handwerke und Handelsgeschäften oder Veranstaltungsorten erzählen. Sie sind so vielfältig und unterschiedlich in ihrer Art, dass es mich neugierig macht und ich mehr erfahren möchte.
Der Beitrag von Europas einzigem Schildermaler Museum ist mir empfohlen worden (rechts zu sehen) und hat mich sofort begeistert. Die Wiener Adresse samt der Rufnummer war schnell gefunden, ich griff zum Hörer – welch passende alte Redewendung – und machte einen Termin aus.
Wieder ein aussterbendes Handwerk
In der Gestaltung, der Gebrauchsgrafik und der Schrift fühle ich mich zu Hause und arbeite in diesem Metier sowohl digital als auch im Handsatz. Ein ebenso altes und gleichfalls fast vergessenes, bzw. kaum noch genutztes Handwerk des Tafel- oder Schildermalens fasziniert mich. Die Freude ist also groß, heute Josef Samuel, einen Schildermaler Wiens in vierter Generation seit 1882 und letzten seiner Art, in seiner Werkstatt treffen zu können.
Reklame, Reklame, Reklame
Kaum ist die Tür geöffnet, tauche ich ein in die Welt traditioneller Reklame, Kaufmanns- und Ladenschilder, Markttafeln und Buchstabenwelt. Der Geruch von Ölfarbe vieler Jahrzehnte füllt den Raum und die Farbe selbst sprenkelt den Boden der Werkstatt mit Farbspritzern aus mehr als 100 Jahren. Allein das ist schon Genuss. Doch sogleich beginnt der Schildermaler und Kunsthandwerker leidenschaftlich zu erzählen und mir die reich geschmückten Wände verschiedenster Arbeiten mit unterschiedlichsten Techniken vorzuführen.
Goldene Zeiten
Viele Handwerke in einem
Das Handwerk des Schilder- oder Tafelmalers umfasst im Grunde mehrere Handwerke: »Maler, Chemiker, Drucktechniker, Grafiker, Werbeprofi« wie ich höre und »es war einmal ein wirklich schönes Kunsthandwerk«, welches lukrativ war und überall gebraucht wurde. Es war ein Teil städtebaulicher Kunst im öffentlichen Raum. Heute gibt es neben Offset- und digitalen Drucken an Fassaden oder in den Straßen Leuchtreklamen, Neonschriften und Screen Marketing.
Farbtechnik nach Augenmaß
Jedem Schild geht eine Skizze voraus, dann ein farbiger Entwurf in verschiedenen Farbversionen, die dem Kunden vorgestellt wurden. Die Farben wurden mit Pigmenten jedes Mal neu angerührt. Dazu braucht es Geschick und Erfahrung, um mit Stößeln die Farbe der Wahl zu reiben. »Die Farben, die wir damals hatten, die dürft ich heute gar nicht mehr verwenden. Alles giftig – aber Qualität – und die haben gehalten, 70 bis 80 Jahre lichtecht, ohne Schutzschicht darüber.« lerne ich.
So viele Varianten
Das Werkzeug und die Technik
Neben den Pinseln mit den auffällig langen Borsten in verschiedenen Breiten und Dicken ist der Malerstab ein äußerst wichtiges Werkzeug für den Schildermaler. Diesen fertigt sich jeder Handwerker aus einem langen Kantholz selbst an, dessen Ende mit einem Stoffballen und dünnem Tuch oder Nylonstrumpf abgebunden wird. Er dient als Stütze für die Hand und zur Führung des Pinsels an der Kante während des Malens. Außerdem verhindert dieser Abdrücke oder unsauberes Malen.
Bilder zum Verständnis
Das Handwerk hatte lange Bestand und diente nicht nur zur Beschriftung sondern auch zur Bebilderung. Es war früher nicht selbstverständlich, dass alle lesen konnten, daher wurde das Warenangebot einfach dazu gemalt.
Als der Siebdruck aufkam wurde dieser in die Schilderbemalung mit einbezogen, wenn es beispielsweise um wiederkehrende Schilder ging, wie hier zu sehen bei dem Schild des »Post und Telegraphenamt« mit wechselnden Postleitzahlen und Orten.
Ein gutes Ziel
Es gibt so viel zu entdecken und doch ist die Zeit zu kurz. Ich frage, wann ich mit meiner Lehre bei ihm anfangen kann und ein Lachen füllt den Raum. Josef Samuel ist längst im Ruhestand und führt das Museum, um seinen Beitrag gegen das Vergessen zu leisten. Das Handwerk war und ist ein Kunsthandwerk. Es vereint alles, was mich interessiert – die Gebrauchsgrafik, Malerei, Entwicklung von Firmenpräsenzen, Schrift in jeder Form und Farbe. Was will man mehr? Im nächsten Leben werde ich Schildermalerin.
Schildermalerei seit 1882 in vier Generationen

Kommentar schreiben
Dagmar (Montag, 10 Februar 2025 20:23)
So schön und interessant! Herzlichen Dank für diesen Beitrag!
Jana auf TypoWalz (Dienstag, 11 Februar 2025 10:59)
Liebe Dagmar,
hab vielen Dank für diese nette Reaktion und
☞ Gott grüß die Kunst
Sandra (Donnerstag, 13 Februar 2025 08:41)
Danke für diesen tollen Einblick.
Jana auf TypoWalz (Donnerstag, 13 Februar 2025 11:05)
Moin Sandra,
sehr gern. Es freut mich, wenn es dir gefallen hat und
☞ Gott grüß die Kunst