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Wenn digitale Fotos am historischen Tiegel gedruckt werden

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Drucktechniken

Gestern, heute und morgen –

Eine Buchdruckwerkstatt heute

Während Conny, Hans und Max sich heute Morgen in Mainbernheim die Druckerei Hügelschäffer GmbH ansehen, betrete ich in der Früh allein die Buchdruckerei. Ein angenehmes Gefühl erfüllt mich beim Aufschließen der Türen und Einschalten der Lichter. Ich stelle mir vor wie es wäre, selbst eine eigene Werkstatt zum Leben zu erwecken und das alte Handwerk mit der digitalen Welt zu verbinden, das erlernte Wissen weiterzugeben und ein Bewusstsein für den Wert dieser Arbeit zu vermitteln. Tatsächlich ist es heute schwer, wie Conny und Hans mir berichten, diese Tradition zu erhalten und wieder mit Aufträgen zu füllen. Heute geht es immer mehr um schnelle und günstige Digitalprodukte, statt sich über das Papier, das Setzen des Textes, der Bilder und Farben sowie den handwerklichen Druckprozess intensive Gedanken zu manchen.


Digitale Fotos im traditionellen Handwerk

Für heute ist geplant, die Satzformen, die ich während der Station in Dachau bei Willi vorbereitet habe, mit dem bereits fertigen DIN Lang Formular zu DIN A4 großen Satzformen fertigzustellen. Dazu sollen auch die drei Fotos verwendet werden, die wir in Dachau gemacht haben. Aus den gerasterten Bildern sind bereits Folien erstellt worden, mit denen wir heute Nylon-Klischees für den Duplexdruck fertigen.

 

Dazu werden die Folien einige Zeit belichtet, damit das Licht die beschichtete Nylonplatte an den freiliegenden Stellen aushärten kann. Die nicht belichteten Stellen werden anschließend in einem Wasserbad ausgewaschen und fertig sind die druckfähigen Klischees. Eine Methode, mit der die digitale Technik auch im traditionellen Handwerk des Buchdrucks Verwendung findet.

Das eröffnet ungeahnte Möglichkeiten.


Ein analoges PDF

Während die Platten trocknen, mache ich die letzten Textkorrekturen an dem Satz für das Faltblatt. Willi hat ein »analoges PDF« geschickt wie Conny den mit der Post gesandten Bleisatz nennt. Aus dem Korrekturabzug baue ich ein Muster und stelle fest, dass an der Innenseite des Faltblattes der Text durch den Falz gebrochen wird und damit schlecht lesbar ist. Das muss unbedingt geändert werden.

 

Es ist ein großes Glück hierzu gleich zwei erfahrene Meister, um ihren Rat fragen zu können und wir einigen uns darauf, eine Leerzeile in den Falz zu setzen. Das bedeutet, dass alle Zeilen versetzt werden müssen. Für die Fotos habe ich bereits gelernt, werden die hohlen Quadraten mit der Öffnung nach oben gesetzt, damit der Drucker die Platzierung in der Satzform gleich erkennen kann.


Wenn Weiß wegbricht

Inzwischen sind die Klischees getrocknet und zurechtgeschnitten, so dass wir erste Probedrucke an dem OHT, dem Original Heidelberger Tiegel machen können. Tiegel, lerne ich, laufen immer und sind bei guter Pflege unverwüstlich. Mit ihrem Zischen und Rauschen entführen sie in alte Zeiten und ich merke, ich lasse mich gern entführen. Es geht nicht nur mir so, auch die anderen genießen, dass wir diese Woche alle gemeinsam in den Gassen oder im Drucksaal stehen und arbeiten.

Conny ist mit dem Andruck der Fotos nicht zufrieden, nimmt diese – im wahrsten Sinne – unter die Lupe und stellt fest, die Rasterpunkte stimmen nicht. Es sind zu viele und das »Weiß bricht weg«. Es sieht aus, als wäre ein Teil des Bildes abgerissen.

Zu Rasterpunkten hat mir Conny gestern am Beilspiel von alten Klappkarten historische Druckplatten und Papiere für Kraftzurichtungen am Tiegel gezeigt. Ich bin fasziniert und sauge das Wissen regelrecht auf. Der Walzkollege Max lernt gerade diese Technik der Kraftzurichtungen am Heidelberger Tiegel. Eine Technik, die mit gezielter Papierzugabe, die Druckintensität unterstützt oder verringert. Das bietet viele Möglichkeiten und lockt die Kreativität.


Die Schächtelchen

Derweil hat Hans eine mitgebrachte alte Stanzform Conny gegeben und wir erfahren, wie »Schächtelchen« erstellt werden. Die Stanzform ist bereits im Schließrahmen der Gally-Tiegelpresse, die zwar wie der Heidelberger Tiegel ein senkrechtes Fundament besitzt, aber kurz vor dem Druck senkrecht auf die Form presst.

Conny stanzt die Form in ein etwas festeres Papier und anschließend zeigt er, wie anhand der Stanzform die Nutlinien, verklebt, platziert und erstellt werden.


Ich bin im Glück

und genieße das vielfältige Lernen

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Kommentare: 2
  • #1

    Gert Laufenberg (Mittwoch, 16 Oktober 2019 10:52)

    Moin Jana,
    Nyloprint-Druckplatten kamen viel in der Übergangszeit zum Fotosatz zum Einsatz.
    Die mit mit einem Fotosatz-System erstellten Texte wurden auf Leuchttischen mit den Abbildungen zu Ganzseiten-Montagen zusammengestellt,
    und dann als Nyloprint-Druckplatte hergestellt.
    Mit diesen Platten konnten dann zum Beispiel Zeitungen auf den damals noch herkömmlichen Buchdruck-Rotationsmaschinen gedruckt werden, auf denen davor noch mit schweren Rundstereos aus Blei gearbeitet wurde.
    So konnte der Fotosatz im Buchdruck verwendet werden,
    ohne schon gleich in eine Offsetmaschine investieren zu müssen.
    Einen schönen Tag wünsche ich Dir aus dem Hamburger Museum der Arbeit.

  • #2

    Jana auf TypoWalz (Montag, 21 Oktober 2019 15:11)

    Moin Gert,
    es ist interessant, dass die Nyloprint-Platten damals im Übergang zur modernen Drucktechnik genutzt wurden und uns heute die Möglichkeit bieten, Digitales wiederum traditionell zu drucken.
    Hab Dank und
    ☞ Gott grüß die Kunst